Waschbär: Wie gefährlich ist er für die heimische Natur?

Ist der Waschbär possierlich oder gefährlich? Wildtierökologisch ist die Antwort schnell gefunden.
Der Waschbär bedroht vielerorten die heimische Fauna.
Der Waschbär bedroht vielerorten die heimische Fauna.
Das Projekt ZOWIAC (Zoonotische und wildtierökologische Auswirkungen invasiver Carnivoren) rund um den Parasitologen Prof. Dr. Sven Klimpel hat das Jagdverhalten von Waschbären in ausgewählten Naturschutzgebieten untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kleinbären in bestimmten Gebieten eine bestandsbedrohende Auswirkung auf teilweise stark gefährdete Amphibien- und Reptilienarten haben.

Der Waschbär: Eine invasive Art auf dem Vormarsch

Ob eine invasive Art zur „Problemart“ wird, hängt laut den Forschern von regionalen, ökologischen oder nutzungsbezogenen Bedingungen ab. „So ist das auch beim – ursprünglich in Nordamerika heimischen und bei uns als invasive Art geführten – Waschbären (Procyon lotor). Seine hohe Ausbreitungsfähigkeit und generalistische Ernährungsweise führt dazu, dass die Art fast alle natürlichen Lebensräume besiedeln kann“, erläutert Prof. Dr. Sven Klimpel vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt, der Goethe-Universität Frankfurt und dem LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik, in einer Pressemitteilung von ZOWIAC. Seit längerem gebe es den Verdacht, dass der Waschbär für den Reptilien- und Amphibienrückgang in manchen Gebieten mitverantwortlich sei.

Um dem nachzugehen hat das Team um Klimpel in Kooperation mit diversen Verbänden das Jagdverhalten von Waschbären in ausgewählten Naturschutzgebieten in Hessen sowie Brandenburg und Sachsen-Anhalt erfasst. Ziel war es, Auswirkungen und mögliche Konfliktfelder, welche mit der zunehmenden Ausbreitung der Waschbären entstehen, zu identifizieren und Handlungsempfehlungen auf lokaler und landesweiter Ebene zu ermöglichen.

Wissenschaftler untersuchen Mageninhalt von Waschbären

„Wir konnten mittels modernster genetischer Analysemethoden eindeutig nachweisen, dass Grasfrösche (Rana temporaria), Erdkröten (Bufo bufo) und Gelbbauchunken (Bombina variegata) zu den Beutetieren von Waschbären zählen“, erklärte Klimpel in der Pressemitteilung. Ein Mageninhalt des Raubtieres aus einem Laichgebiet im Spessart habe vollständig aus Erdkrötengewebe bestanden. Fraßspuren um die Laichgründe deuteten laut den Forschern zudem darauf hin, dass Waschbären dazu fähig sind, Erdkröten vor dem Verzehr zu häuten, um deren Giftdrüsen auszuweichen. „In einem Naturschutzgebiet in Osthessen wurden in einer Stunde über 400 gehäutete Kröten gezählt – ein wirklich deprimierender Rekord“, heißt es in der Pressemitteilung.

Auch vor Schlangen macht der Kleinbär nicht halt – in den Mageninhalten der Tiere wurden Gewebereste und Knochen von Ringelnattern (Natrix natrix) gefunden. Im Untersuchungsgebiet Rheingau-Taunuskreis fand das Team zudem eine während der Eiablage gefressene Äskulapnatter (Zamenis longissimus).

Waschbär: Negativer Einfluss auf heimische Ökosysteme

Beobachtungen von amtlichen und ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten deuten zusätzlich darauf hin, dass Bergmolche (Ichthyosaura alpestris), Wechselkröten (Bufotes viridis) und sogar Feuersalamander (Salamandra salamandra) auf dem Speiseplan der Waschbären stehen. „Insbesondere die letzten beiden Arten sind besonders geschützt und könnten bei einem massivem Fraßdruck durch den Waschbären innerhalb kürzester Zeit in bestimmten Gebieten so stark dezimiert werden, dass Populationen sich nicht mehr reproduzieren können und lokal verloren gehen“, äußert sich Klimpel in der Pressemitteilung. 

ZOWIAC-Projektleiter Norbert Peter von der Goethe-Universität äußerte sich ebenfalls: „Wir sehen einen Prädationsdruck auf geschützte Amphibien und Reptilien in bestimmten Gebieten, der für diese Arten teilweise bestandsbedrohend ist. Zwar sind die bestehenden naturschutzrechtlichen Vorgaben der EU und des Bundes geeignet, um Reptilien und Amphibien lokal in ihrem Bestand zu erhalten – doch stoßen diese an ihre Grenzen, wenn zusätzliche Bedrohungen hinzukommen. In diesem Kontext beeinflusst der Waschbär heimische Ökosysteme eindeutig negativ.“

Die Wissenschaftler fordern nun, dass kontinuierliche und flächendeckende Daten zur Verbreitung, den Habitatsansprüchen, der (Nahrungs-)Ökologie und der Parasitierung erhoben werden, um zukünftige Auswirkungen und die fortschreitende Verbreitung von Waschbären und von anderen gebietsfremden Arten frühzeitig zu erkennen.

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