Forscher stellten kürzlich die These auf, dass der moderne Mensch bereits vor knapp 54.000 Jahren nach Europa kam. Ein spektakulärer Fund deutet nun darauf hin, dass das längst nicht alles ist: Zu diesem Zeitpunkt hat der Homo Sapiens wahrscheinlich bereits mit Pfeil und Bogen gejagt.
Die Vermutung, dass der Homo Sapiens den europäischen Kontinent 10.000 Jahre früher erreichte als zunächst angenommen, stützt sich auf das Relikt eines Zahns, so die Forscher. Die Überbleibsel eines Milchgebiss-Backenzahns wurden in der Grotte Mandrin der Nähe von Montélimar gefunden. Ob diese These sich bestätigt, bleibt jedoch abzuwarten, da die Argumentation der Forscher zunächst anhand des Aussehens getroffen wurde – und nicht durch DNA-Analysen.
Zahnfragment zu instabil für Analyse
Das Forscherteam fand nun im Rhônetal weitere Relikte, die darauf hindeuten, dass der Homo Sapiens sehr viel früher als vermutet mit Pfeil und Bogen bewaffnet in Europa unterwegs war. In einer tiefer liegenden Schicht (Schicht E) als der Backenzahn fand das Forscherteam Steinschaber, Steinklinge und -spitzen. Insbesondere die kleinen Steinspitzen deuten auf eine Nutzung von Pfeil und Bogen hin, da eine andere Nutzung der Objekte keinen Sinn ergeben würde. Es handelt sich hierbei um den frühesten Hinweis auf die Nutzung von komplexen Waffen zur Jagdausübung außerhalb des afrikanischen Kontinents.
In darüber liegenden Schichten fanden sich Überreste von Neandertalern
Interessant ist hierbei, dass die Pfeilspitzen in ihrer Herstellung komplexer sind als die üblichen Steinwerkzeuge der Neandertaler, die zu diesem Zeitpunkt in Europa lebten. Das Forscherteam gibt an: „Die früheste Einwanderung von Menschen in Neandertaler-Gebiet geht einher mit der Beherrschung des Bogens.“ Offen bleibt die Frage, warum die Neandertaler sich die überlegene Technik nicht aneigneten. Aber die Nutzung dieser Waffentechnologie half dem Homo Sapiens eindeutig bei der Ausbreitung auf dem europäischen Kontinent.
Kritik aus den eigenen Reihen bleibt nicht aus
Andere Forscher sind in Bezug auf die Funde vorsichtiger und deuten auf die riesige zeitliche Lücke zwischen belegten Funden von vor etwa 45.000 Jahren in der Höhle Batscho Kiro in Bulgarien und dem Fund aus Frankreich hin. Ein Forscher des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA) gibt an: „Falls Homo sapiens damals tatsächlich in Mandrin war, gibt es eine Lücke von etwa 10 000 Jahren und Tausenden von Kilometern, bis wir eine andere Stelle in Europa haben, die von H. sapiens bewohnt war.“
Es bleibt also abzuwarten, ob sich weitere Puzzleteile finden lassen, die dabei helfen können, die knapp 10.000 Jahre zwischen den Funden mit Wissen zu füllen.