Faktencheck: Was ist dran an Peter Wohllebens sprechenden Bäumen?

Eine Studie aus Kanada will das vermenschlichte Bild von Wohllebens Wald korrigieren. Wohlleben hält das Paper lediglich für Meinung. Wir haben uns die Studie deshalb angeschaut.
Nachdem eine Studie aus Kanada Peter Wohlleben kritisierte, monierte der Förster, dass es sich bei der Studie um „Meinung“ handele.
Nachdem eine Studie aus Kanada Peter Wohlleben kritisierte, monierte der Förster, dass es sich bei der Studie um „Meinung“ handele.

Das Internet des Waldes – mit dem Begriff geht Förster Peter Wohlleben hausieren. Eine Studie der kanadischen Universität Alberta bringt nun Licht ins Dunkel von Wohllebens vermenschlichtem Wald, in dem Bäume miteinander sprechen, sich sogar warnen (wir berichteten). Derlei Thesen erfreuen sich mittlerweile nicht nur beim normalen Bürger, sondern auch in der Wissenschaft zunehmender Beliebtheit. In der „BILD“ wehrte sich Wohlleben gegen die Studie: Sie sei lediglich eine Meinung und keine Wissenschaft. Die PIRSCH hat sich die Studie der Wissenschaftler deshalb genauer angesehen.

Die Krux an den Materialien

Im Fokus hatten die Forscher drei populäre Thesen zu dem Mykorrhiza-Netzwerk zwischen Pilz und Baum. Zum einen die Behauptung, dass derlei Netzwerke beim Ressourcentausch helfen würden. Die Behauptung ist nicht haltbar. Zwar gibt es Studien, diese variieren jedoch zu stark und weisen auf andere Erklärungen für den Ressourcentausch zwischen Baum und Pilz hin. Oder: Die Studien sind so begrenzt angelegt, dass sie sich unmöglich generalisieren lassen.

Netzwerke unter Tage: So ist die Faktenlage

Auch der Behauptung, dass es sich beim Wurzel-Netzwerk um ein weit verbreitetes Phänomen handelt, erteilen die Wissenschaftler der kanadischen Universität eine Absage. Lediglich zu zwei Baumarten von weltweit über 70.000 gibt es Anhaltspunkte, dass diese mit derlei Netzwerken in Verbindungen stehen. Und: Nur zu drei Pilzarten gibt es bislang Hinweise darauf, dass sie Netzwerke knüpfen. Aus einer derart dünnen Datenlage Schlüsse wie Wohlleben abzuleiten, ist gewagt und fernab der Wissenschaft.

Hype um eine Studie

Großer Bekanntheit erfreut sich auch die These, dass ein solches Netzwerk das Wachstum eines Setzlings verbessert. Eine Studie aus den späten 90er Jahren wurde als Beweis hierfür herangezogen. Allerdings: Der Gedanke ist weit entfernt vom kompetitiven Rahmen, der in der Natur vorherrscht. Zudem konterkariert die Sichtweise mit dem Verhalten mancher Pilzarten. In den borealen Wäldern des Nordens gibt es Pilze, die beispielsweise die Stickstoffversorgung ihrer Baumpartner negativ beeinflussen.

Was ist in der Natur möglich?

Jede Studie deren Prämisse ist, dass ein solches Netzwerk das Wachstum von Setzlingen in der Natur verbessert, wurde von den Wissenschaftlern widerlegt. Jeder positive Wachstumseffekt habe sich mit anderen Erklärungen widerlegen lassen. Allerdings stellen die Forscher klar, dass die Beweisführung nicht bedeutet, dass es den Effekt nicht gibt. Er wurde lediglich in der Natur noch nie nachgewiesen. Laborstudien brachten kaum andere Erkenntnisse. Lediglich mit der Autoradiographie ließ sich zumindest – falls sich ein Netzwerk gebildet hatte – feststellen, dass ein radioaktives Kohlenstoffisotop im Labor auf eine Wanderschaft von wenigen Zentimetern ging. Einzig bei alten Bäumen (125 bis 275 Jahre) gibt es Hinweise aus einer lokal begrenzten Studie aus der Natur, dass es zum Ressourcentausch vom altem Baum zum jungen Baum kam.

Alarmanlage im Wald?

Zurückstecken musste auch die Theorie, dass ein Wurzelnetzwerk bei Bäumen im Wald als Alarmanlage dient. Es gibt keine Studie, die diese Theorie für die freie Natur belegt. Ein Kuriosum in diesem Zusammenhang ist erneut eine Laborstudie, die fernab der Natur ist. Dabei untersuchte man den Effekt der Alarmanlage mit Blick auf Schädlingsbefall. Das funktionierte. Aber: Sobald die Wurzeln zweier Setzlinge miteinander in Kontakt traten – quasi der Ist-Zustand in der Natur - kam es nicht mehr zum Warnvorgang. Die Forscher machen in ihrer Studie deutlich: Es gibt keinen unabhängigen Beweis, der die Thesen einer Alarmanlage oder einer Arterkennung über ein Netzwerk bei Bäumen im Wald belegt.

Das fordern die Wissenschaftler

Für die Forscher ist deshalb klar, dass es besserer Experimente und neuer Ansätze bedarf, um dem Mykorrhiza-Netzwerk auf den Grund zu gehen. Es fehlen Beweise für die globale Verbreitung solcher Netzwerke, sowie für deren Dauerhaftigkeit um überhaupt für den Wald funktional zu sein. Auch mangelt es an Erkenntnissen über die große Lage. Heißt: Der Blick auf verschiedene Wälder und verschiedene Klimazonen ist nicht vorhanden.

Ärger um Publikationen

Mit Blick auf die Zitation in wissenschaftlichen Publikationen hoffen die Wissenschaftler darauf, dass Forscher ihre Quellen besser auswählen. Denn: Wissenschaftlich nicht haltbare Studien mit romantisierendem Waldbild werden laut den kanadischen Forschern häufiger zitiert, als die Studien, die ein solches Waldbild eindeutig widerlegen. In den vergangenen 25 Jahren hat sich die Zahl von wissenschaftlich nicht haltbaren Behauptungen zu derlei Netzwerken verdoppelt.

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