Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) hat in Kooperation mit dem Nationalpark Bayerischer Wald, dem Nationalpark Šumava sowie mit den Bayerischen Staatsforsten die Infektionsrate bei Rotwild, Rehwild und Schwarzwild mit dem Amerikanischen Leberegel zwischen April 2021 und Dezember 2022 untersucht. Nach Abschluss der Studie kam nun heraus, dass bei Rotwild eine Infektionsrate von ca. 12-18 Prozent vorhanden ist. Rehwild und Schwarzwild seien für das Infektionsgeschehen unerheblich.
Doch wie kam der Amerikanische Leberegel nach Deutschland und welche Folgen hat er für unsere heimischen Cerviden? Wir haben den Amtstierarzt und Fachtierarzt für Wild- und Zootiere Univ. Doz. Dr. Armin Deutz einige Fragen zu dem Parasiten aus Übersee gestellt.
Pirsch: Womit hat man es beim Großen Amerikanischen Leberegel zu tun?
Univ. Doz. Dr. Armin Deutz: Es handelt sich um eine Leberegelart, die durch Lebendhirschimporte (Wapitis und Weißwedelhirsche) aus Nordamerika nach Europa eingeschleppt wurde und 1875 erstmals in Italien bei Rotwild nachgewiesen wurde. In Deutschland erfolgte die Erstbeschreibung 1932, in Österreich 1983. Weitere Nachweise gibt es aus der Tschechischen Republik, Slowakei, Polen, Spanien, Ungarn, Kroatien und Serbien. Diese große Leberegelart (Länge: 7–10 cm, Breite: 2–3 cm) entwickelt sich über einen Zwischenwirt (Schneckenarten) und befällt im Endwirt das Lebergewebe und nicht die Gallengänge, wie andere Leberegelarten. Die Entwicklung in der Außenwelt ist temperaturabhängig, bei höheren Temperaturen läuft sie schneller ab.
Pirsch: Wie erfolgt der Befall mit dem Parasiten, und welche Wildarten befällt er?
Univ. Doz. Dr. Armin Deutz: Der Befall der Endwirte erfolgt über die Aufnahme von Larven (Metazerkarien) des Parasiten, die an der Äsung anhaften. Diese Larven bohren sich durch die Darmwand in die freie Bauchhöhle und durchdringen danach die Leberkapsel, um ins Lebergewebe zu gelangen. Grundsätzlich ist zwischen spezifischen Endwirten (wie Weiß- und Schwarzwedelhirschen, Wapitis, Karibus, Rot- und Damwild), Blind- oder Sackgassenwirten (wie Elch, Sikawild, Wild- und Hausschweine, Rinder, Pferde, Lamas) sowie Irr- oder Fehlwirten (wie Reh-, Muffel- und Gamswild, Hausschafe und -ziegen) zu unterscheiden.
Neben Wildtieren werden eben auch Haustiere wie Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde oder Schweine befallen, wobei es in Nordamerika besonders bei Rindern große Schäden gibt. Fälle beim Menschen, wie vom heimischen Großen Leberegel (Fasciola hepatica) bekannt, sind vom Großen Amerikanischen Leberegel nicht beschrieben.
Pirsch: Wie äußern sich die Symptome bzw. ist der Befall tödlich?
Univ. Doz. Dr. Armin Deutz: Symptome und Auswirkungen sind abhängig von den befallenen Tierarten. In spezifischen Endwirten (siehe Frage zuvor) reifen die Egel oft paarweise in Bindegewebskapseln heran und produzieren bis zu 4.000 Eier täglich, die über Gallengänge in den Darm gelangen und über die Losung ausgeschieden werden, um auf Zwischenwirte zu treffen. Selbst bei hochgradigem Befall (bis ca. 80 Egel) sind bei spezifischen Endwirten nur selten Symptome wie Abmagerung zu erkennen; Verendensfälle sind selten.
Bei Blind- oder Sackgassenwirten erreichen die Jungegel die Leber. Sie reifen zwar nur selten heran (produzieren damit auch selten Eier), machen aber Leberwanderungen, die zu Leberschädigung und starker Bindegewebsbildung führen. Es kommt zu Leberschwellung, Konditionsverlust und auch zu Mortalitätsfällen.
Die schwersten klinischen Erscheinungen sind bei Fehl- und Irrwirten zu erwarten, denen eine Schutzreaktion in Form von Zysten oder Bindegewebskapseln fehlt. Dadurch rufen die wandernden Jungegel massive Gewebszerstörungen nicht nur in der Leber, sondern auch in anderen Organen hervor. Neben der massiven Gewebszerstörung führen vermutlich toxische Stoffwechselprodukte der Parasiten häufig zum Verenden der Fehl- oder Irrwirte, wie Reh-, Gams- oder Muffelwild. Für die Weiterverbreitung der Leberegel sind diese Wirte wie auch die Blind- oder Sackgassenwirte belanglos, da von den meist unreifen Egeln nahezu keine Eier produziert werden.
Pirsch: Ist das Wildbret befallener Tiere trotzdem noch genießbar?
Univ. Doz. Dr. Armin Deutz: Wie bei anderen Parasitosen ist zumindest das befallene Organ – hier die Leber (selten weitere Organe) – untauglich für den menschlichen Verzehr. Das Wildbret selbst ist tauglich, sofern das Stück nicht deutlich abgemagert ist oder die Farbe des Wildbrets abweicht (z.B. deutlich heller infolge einer Blutarmut). In Zweifelsfällen ist jedenfalls eine tierärztliche Fleischuntersuchung vorgesehen.
Die Fragen stellte Rasso Walch