Es ist Herbst und es geht zur Drückjagd in den Norden Bayerns – genauer gesagt in den Veldensteiner Forst. Es ist eine der wenigen Gelegenheiten, die ich in diesem Jagdjahr habe, mit dem nötigen Jagdglück eventuell ein Stück Rotwild zu erlegen. Aus München kommend biege ich kurz vor Bayreuth von der A9 ab, um dann wenig später am Sammelplatz einzutreffen. Nach der Anmeldung beginnt Frank Pirner, Leiter des Forstbetriebs Pegnitz der Bayerischen Staatsforsten, mit der morgendlichen Ansprache. Routiniert werden die nötigen Ausführungen zum Thema Sicherheit, Organisation und Freigabe erläutert.

Rotwild: Damit haben die Cerviden zu kämpfen
Beim letzten Punkt holt Pirner allerdings nochmal aus: Sichtlich abgekommenes Rot- und Rehwild sei unabhängig von der Freigabe zu erlegen, denn der Cervidenbestand hätte mit einem Befall durch den Großen Amerikanischen Leberegel (Fascioloides magna) zu kämpfen. Um das Vorkommen des Parasiten in der Region genauer zu untersuchen, sei daher auch Prof. Dr. Andreas König von der Technischen Universität München mit einem Team vor Ort, erklärt der Forstbetriebsleiter. Pirner hatte den Wissenschaftler nach dem ersten Auftreten des Egels 2017 kontaktiert und 2018 zusammen mit ihm ein erstes Monitoring initiiert.

Am Aufbrechplatz auf Spurensuche nach dem Leberegel
Zwar ohne Hörnerklang – schließlich will man das sensible Rotwild nicht schon vorher auf die Läufe bringen –, aber mit viel Waidmannsheil ging es anschließend ins nahegelegene Treiben. Der mir zugewiesene Sitz schien recht aussichtsreich, schließlich war er relativ zentral im Treiben gelegen. Doch wie es an solchen Ständen häufig der Fall ist, kam außer einer flüchtigen Rotte Sauen ohne Kugelfang und einem einzelnen „fliegenden“ Stück Kahlwild, das keine Chance zum Ansprechen oder gar Zeit für einen sicheren Schuss ließ, nichts in Anblick. So ging es aber bei weitem nicht allen. Das wurde spätestens bei der Rückkehr an den Sammelplatz, der gleichzeitig zentraler Aufbrechplatz war, deutlich.

Rotwild: Leberegel-Monitoring braucht Daten
Eifrig machten sich die zum Versorgen des Wildes eingeteilten Personen über die erlegten Stücke her – zwischendrin das Team um Prof. König, ausgestattet mit Tüten, Formularen, Meterstab und weiteren Utensilien. Sie nahmen jedes der Stücke in Augenschein, notierten das Geschlecht, sammelten die Lebern ein, vermaßen Hinterläufe von den Schalen bis zum Sprunggelenk. Nach dem Streckelegen schärften sie zudem noch die Häupter des Kahlwilds ab. Hintergrund für das Vermessen der Läufe und Einsammeln der Häupter ist die möglichst genaue Altersbestimmung der Stücke. Denn wie König erklärt, würde sich in der Untersuchung abzeichnen, dass die Wahrscheinlichkeit für einen starken Egel-Befall bei älteren Stücken höher sei (siehe Kasten).
Ergebnisse der Vorstudie
Im Jagdjahr 2018/19 wurden in einer Vorstudie der Arbeitsgruppe Wildbiologie und Wildtiermanagement der Technischen Universität München 275 Lebern von Rot-, Reh- und Schwarzwild auf den Großen Amerikanischen Leberegel hin untersucht. Bei Rot- und Rehwild wies man den Egel nach. Beim Schwarzwild war der Stichprobenumfang für eine Aussage zu gering. Die Rotwildproben stammten aus dem Forstbetrieb Pegnitz sowie von Privatjagden und den Bundesforsten. Lebern in allen drei Gebieten waren vom Egel befallen. Die Proben aus dem Forstbetrieb Pegnitz wiesen eine Befallsrate von 40 % auf, die mit zunehmendem Alter der Tiere ansteigt. Kälber sind demnach kaum befallen, erwachsenes Rotwild zu 70 % und in manchen Teilgebieten zu 90 %.
Feuchtwiesen und -gebiete als Gefahr
Ursache dafür sei schlicht und ergreifend, dass die älteren Stücke schon länger Nahrung aufnehmen, an der die abgekapselten Larven des Parasiten – sogenannte Metazerkarien – anhaften. Die belastete Äsung findet das Wild vor allem dort, wo auch Zwischenwirte (z.B. die Zwergschlammschnecke) des Egels sich gerne aufhalten. Dabei handelt es sich in aller Regel um Feuchtwiesen und -gebiete, wie sie im Osten des Veldensteiner Forsts entlang der mäandernden Pegnitz zahlreich zu finden sind. Dort hält auch das Rotwild sich äußerst gerne auf. Direkte Bekämpfungsmaßnahmen gegen den Leberegel zum Schutz des Wildes sind hier laut Pirner und König sehr begrenzt.

Rotwild und der Leberegel: Senken der Reinfektionsrate
Momentan geht man davon aus, dass in einzelnen Regionen Nordbayerns lokale Infektionsraten von über 80 % beim Rotwild bestehen. Im Veldensteiner Forst und angrenzend daran setzen Pirner und die Hegegemeinschaft Auerbach derzeit auf eine verstärkte Bejagung. „Wir haben im Jagdjahr 2018 in Absprache mit der Unteren Jagdbehörde und der Hegegemeinschaft den Abschuss deutlich gesteigert, um die Reinfektionsrate zu verringern. Besonders der Anteil der Alttiere, die häufig befallen waren, konnte erhöht werden. Im Jagdjahr 2019 ist der Abschuss dann deutlich zurückgegangen. Wegen der Wölfe sind die Fütterungen kaum noch angenommen. Eine Zählung ist unmöglich, eine einigermaßen realistische Bestandsschätzung schwierig. Ich gehe aber aufgrund von Beobachtungen bei Einzel- und Drückjagd und durch den Anteil von Schälung an frisch gefällten Kiefern im letzten Winter davon aus, dass der Bestand zurückgegangen ist“, erklärt der Forstbetriebsleiter.
Die genaue Beurteilung, welchen Einfluss der Große Amerikanische Leberegel tatsächlich auf die Rot- und Rehwildbestände vor Ort hat, wird durch das nahezu gleichzeitige Auftauchen des Wolfes im Veldensteiner Forst im Jahr 2017 deutlich erschwert. Die Wölfe hatten 2018 und 2019 einen Wurf. Prof. Andreas König und sein Team versuchen dennoch Licht ins Dunkle zu bringen und den Cerviden so auf Dauer zu helfen. Die Ergebnisse der Studie werden gegen Ende des Jagdjahrs erwartet.