Ein Fuchs schnürt vor mir über die Wiese. Ein in der Nähe äsender Hase bemerkt ihn schon aus der Distanz, ohne sich jedoch zunächst weiter um ihn zu kümmern. Rasch ist er dem Hasen deutlich nähergekommen. Ob der Fuchs den Hasen gezielt angeht, bleibt für mich unklar. Der Hase jedenfalls richtet sich auf und gibt dem Räuber aus der Distanz zu verstehen, dass er entdeckt ist. Der Fuchs verhofft kurz, äugt zum Hasen und verschwendet keine weitere Energie auf eine wenig aussichtsreiche Verfolgungsjagd. Man scheint sich geeinigt zu haben. Dieses Verhalten ist Teil einer langen Koevolution. Unterschreitet der Fuchs eine Distanz von etwa 50 m, kann man dieses Verhalten häufig beobachten. Interessant ist, dass es Hasen bei freilaufenden Hunden nicht zeigen.
Wo sind im Herbst all die Hasen hin?
Noch am selben Abend dieses warmen Frühjahrstages sehe ich vier weitere Hasen, die jetzt gut beobachtet werden können. Im Herbst, wenn auch mal einer für die Küche abfallen könnte, sieht die Sache anders aus. Mir drängt sich die Frage auf, wie viel Einfluss der Fuchs auf den Hasen ausübt. Wie viele Füchse sind des Hasen Tod, und wie viel Entlastung kann der Jäger mit der Prädatorenjagd schaffen?

Gestorben wird immer
Der beachtlichen Reproduktion des Feldhasen steht eine hohe Mortalität gegenüber. Verluste können dabei immens sein. Besonders die Überlebensrate der Junghasen entscheidet maßgeblich über die Entwicklung eines Besatzes. Wissenschaftliche Modelle zeigen, dass die Besätze selbst dann leicht anwachsen, wenn die Sterblichkeit der adulten Hasen bei 50 % und die der Junghasen bei 70 % liegt.
Tatsächlich ist der Futterbedarf einer Fuchsfamilie gerade im Frühjahr, also zur Zeit der Welpenaufzucht, so groß, dass die Fähe bereit ist, sehr viel für die Beschaffung in Kauf zu nehmen. Selbst Bereiche wie die Siedlung, die zumindest im urbanen Raum sonst eher gemieden werden, nutzt der Fuchs in dieser Zeit. Der Futterbedarf ist immens und die Fähe ist scheinbar pausenlos unterwegs. Da Würfe unterschiedlich groß sind, bleibt jedoch offen, ob die benötigte Futtermenge an der Zahl der Welpen ausgerichtet wird. Anders herum ausgedrückt, fragt man sich, ob die Entnahme einzelner Jungfüchse die Fähe dazu veranlasst, weniger Futter zuzutragen. Ich habe viele Jäger gehört, die mir in diesem Zusammenhang sagten, dass nur die Entnahme des gesamten Geheckes etwas bringen würde. Denn nur dann würden die Elterntiere nichts mehr zutragen. Ansonsten bliebe der Prädatorendruck maximal.
Futtermenge: Immer so viel wie möglich?
Tatsächlich ist diese Frage wissenschaftlich bislang nicht zweifelsfrei zu beantworten. Eine kleine gedankliche Brücke kann uns jedoch behilflich sein, eine Antwort darauf zu finden. In England untersuchte man bei „Fuchsrudeln“, wer von den ausgewachsenen Füchsen einer Familie Futter zuträgt und wie oft. Dabei stellte sich zunächst heraus, dass sich die meisten (aber nicht alle) erwachsenen Füchse einer Familie an der Aufzucht der Jungfüchse beteiligen. Des Weiteren machte man die Feststellung, dass sich der Beitrag des Einzelnen in größeren Gruppen reduziert. Umso mehr Helfer in den Rudeln leben, desto weniger Aufwand betreibt der Einzelne.
Charakter spielt eine bedeutende Rolle
Etwas Vergleichbares findet sich auch in paarweise lebenden Konstellationen. Man weiß, dass es unter den Rüden sehr unterschiedliche „Charaktere“ gibt. Das bedeutet, dass es Rüden gibt, die bei der Welpenaufzucht eher inaktiv sind. Andere wiederum tragen sehr viel Futter zu. Je nachdem, wie die Unterstützung ausfällt, reduziert oder erhöht die Fähe ihren eigenen Aufwand. Dies legt die Vermutung nahe, dass Füchse insgesamt also tatsächlich in der Lage sind, den erforderlichen Aufwand anpassen zu können.

Wer also auch nur einen Teil des Geheckes entnimmt, reduziert demnach den Räuberdruck. Grundsätzlich kann dies also zu einer Entlastung aller Beutetiere führen. Doch was dies im Einzelnen für einen Hasenbesatz bedeutet, bleibt unklar. Auch dazu will ich ein paar Überlegungen teilen, die eine indirekte Antwort liefern. Bei eigenen Mageninhaltsuntersuchungen beim Fuchs in den Offenlandschaften Brandenburgs fand ich heraus, dass der Feldhase nur zu unter einem Prozent an der Fuchsnahrung beteiligt ist. Nach Zählungen der Hasen hatten wir es in dem betreffenden Bereich mit 5–6 Hasen pro 100 ha zu tun. Parallel haben wir die Füchse dort telemetrisch überwacht und Reviergrößen von ca. 250 ha vorgefunden. Diese großen Reviere und der geringe Nachweisgrad des Hasen in der Fuchsnahrung zeigen, dass der Fuchs einen geringen Beutedruck auf den Hasen ausübt. Mit anderen Worten profitiert der Hase dort nur geringfügig von erlegten Füchsen, weil diese ohnehin wenig Einfluss haben.
Gegenbeispiel: Der Tödliche Fuchs
Grundsätzlich anders verhält sich die Situation bei hohen Hasendichten. In einer polnischen Untersuchung bestimmte man ebenfalls zunächst die Hasendichte, die mit etwa 50 Hasen/100 ha sehr groß war. Auch dort analysierte man die Mägen der Füchse. Dabei fand man eine grundlegend andere Situation vor als in meinem Untersuchungsgebiet. Denn der Fuchs ernährte sich in diesem Bereich etwa zur Hälfte von Feldhasen!
Da die Streifgebietsgrößen der Füchse nicht ermittelt wurden, kann keine direkte Entnahmerate berechnet werden. Klar ist jedoch, dass bei diesem hohen Nachweisgrad sehr viele Hasen auf das Konto des Fuchses gehen müssen. Fassen wir also zusammen: Wenn der Hase in sehr geringen Dichten vorkommt, was für viele Reviere derzeit der Fall sein dürfte, wird ihm die Senkung des Beutegreiferdruckes nur wenig helfen. Anders verhält es sich bei guten Hasendichten. Da kann die Jagd auf den Fuchs deutlich dazu beitragen, dass weniger Hasen durch den Fuchs erbeutet werden.
17 Junghasen pro Häsin
Der Feldhase weist allgemein eine enorm hohe Reproduktionsrate von bis zu 600 % im Jahr auf. Untersuchungen haben ergeben, dass jede Häsin durchschnittlich pro Jahr 17 Junghasen setzt. Um diese hohen Zahlen zu erreichen, verschachtelt die Häsin ihre Sätze. Sie kann also mit zwei Sätzen gleichzeitig trächtig sein.
Medizinisch ausgedrückt, ist Bejagung in vielen Fällen also eher eine Symptombekämpfung. Die tatsächliche Ursache für die schlechte Situation ist eine andere. Denn die ungünstigen Lebensraumbedingungen sind für die vielerorts geringen Hasenbesätze primär verantwortlich. Diese müssen also zunächst beseitigt werden, eh die Jagd und Prädatorenabsenkung greifen können.

Revier aufwerten mit dem Landwirt
Mit dem im Jahr 2015 eingeführten Greening bietet sich für den Jäger eine große Gelegenheit. Dieses Programm bindet Subventionszahlungen für den Landwirt an Maßnahmen im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes. Das Programm sieht u. a. vor, dass Landwirte 5 % ihrer Fläche als ökologische Vorrangflächen vorhalten müssen. Neben Stilllegungs- und Zwischenfruchtflächen können dies zum Beispiel auch bis 20 m breite Feldrandstreifen auf Äckern sein. Werden diese mit einer Blühmischung bestellt (Fördermöglichkeiten beachten!), entstehen wertvolle Lebensräume für zahlreiche Tierarten. Nicht nur unser jagdbares Wild gehört zu vorrangigen Profiteuren solcher anders genutzten Flächen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Zahl an Tagfaltern, Bienen, Käfern und Spinnen um 30–40 % erhöht wird. Dies wiederum hat positive Auswirkungen auf die Avifauna. Bodenbrüter wie Rebhuhn und Feldlerche finden hier deutlich aufgewertete Lebensräume.
Obwohl zwischen Jägern und Landwirten grundsätzlich ein breiter Konsens darüber besteht, Flächen auch im Sinne unserer Wildtiere weiterzuentwickeln, bleibt die Umsetzung in der Regel noch hinter ihren Möglichkeiten. Denn schaut man in die Fläche, sieht man häufig, dass zugunsten wildtierfreundlicher Maßnahmen Zwischenfrüchte oder Leguminosen angebaut werden, deren ökologischer Wert jedoch reduziert ist. Diese tragen sicher zu einem gesünderen Boden bei, ökologisch haben sie aber wenig zu bieten.
Tatsächlich reduziert sich die ökologisch nützliche Fläche derzeit von den ausgewiesenen 5 % auf unter 2 %. Um dies zu ändern, ist auch die Zusammenarbeit zwischen Landwirt und Jäger zu forcieren. Suchen Sie also aktiv den Kontakt und loten Sie Möglichkeiten aus.