Immer mehr Bären: Wie könnte ein Zusammenleben funktionieren?

Bären sorgen derzeit für Gesprächsstoff in den Medien und der Jägerschaft. Wie funktioniert eine Koexistenz und welche Probleme entstehen? Unser Autor hat sich das Beispiel Kroatien angeschaut.
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15. Juni 2023
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Bären können auch Nutztiere reißen. Bei der Almhaltung in den deutschen Alpen kann dies zu Konflikten führen.
Bären können auch Nutztiere reißen. Bei der Almhaltung in den deutschen Alpen kann dies zu Konflikten führen.

Der Braunbär gehört zu den größten an Land lebenden beutegreifenden Säugetieren Europas. Als Nahrungskonkurrent wurde er vielerorts ausgerottet. Auch seine potenzielle Gefahr für den Menschen hat dazu beigetragen. Doch in einigen Regionen sind Restpopulationen übriggeblieben. In diesen Gebieten und durch verschiedene Ansiedlungsprojekte kommt der Braunbär heute wieder an einigen Stellen Europas vor und breitet sich sogar aus. Anfang Mai kam es in Deutschland zu mehreren nachweislichen Sichtungen von Bären. Sogar Risse an Schafen wurden festgestellt, die durch DNA-Proben einwandfrei dem Beutegreifer zugeschrieben werden konnten. Schon gleich wurden erste Stimmen laut, dass der Bär hier wieder heimisch werden könnte. Ob sich ein Großraubtier in unserer Landschaft ansiedeln kann, bringt Sorgen und Diskussionen mit sich. Aus diesem Grund schauen wir uns an, wie es in anderen Ländern läuft.

Bären ernähren sich in Süd- und Mitteleuropa überwiegend pflanzlich.
Bären ernähren sich in Süd- und Mitteleuropa überwiegend pflanzlich.

Verbreitung und Lebensraum früher und heute

Der Braunbär kam historisch flächendeckend in ganz Europa vor. Das Verbreitungsgebiet erstreckte sich vom mediterranen Westeuropa, über Mittel- und Nordeuropa bis nach Asien. Auch Deutschland war früher nahezu flächendeckend besiedelt. Doch bereits im Mittelalter wurden die Bären vom Menschen so weit zurückgedrängt, dass sie nur noch in waldreichen und unzugänglichen Gebieten vorkamen. Der letzte Bär wurde in Bayern bei Ruhpolding im Jahr 1835 erlegt. Im Jahr 2006 wurde außerdem der als „Bruno“ bekannte Braunbär „JJ1“ aus den italienischen Alpen nahe Bayrischzell erlegt.

Die Landschaft der Alpen könnte laut Studie ein potenzieller Lebensraum für Braunbären sein.
Die Landschaft der Alpen könnte laut Studie ein potenzieller Lebensraum für Braunbären sein.

Die heutige Population der Braunbären beschränkt sich auf autonome Populationen ohne Austausch. Dabei bewegt sich der Europäische Bestand nach Schätzungen des IUCN in den jeweiligen Ländern etwa zwischen 27.000 Tieren in Russland bis zu Beständen von zehn Tieren in den Pyrenäen (s. Tabelle S. 35).

Bären sind nicht sehr anspruchsvoll, was ihren Lebensraum angeht. Ein ausreichendes Nahrungsangebot und die Verfügbarkeit ungestörter Höhlen für die Winterruhe sind entscheidend. Bären sind Einzelgänger. Eine Ausnahme bilden junge führende Weibchen. Die Jungtiere bleiben bis zu zweieinhalb Jahre bei der Mutter. Anschließend leben die Geschwister ein paar Monate in Verbänden zusammen. Erst danach beginnt ihr Leben als Einzelgänger. Die sehr großen Reviere variieren je nach Nahrungsangebot und Terrain zwischen 100 km² und 1.000 km². Als Allesfresser besteht ein Großteil der Nahrung aus pflanzlichen Bestandteilen.

Lebensraum und Lebensweise

In Mittel- und Südeuropa kann der Anteil von pflanzlicher Nahrung ¾ der Gesamtnahrung betragen. In nördlichen Regionen ist der Anteil fleischlicher Nahrung höher. Die Winter sind länger und der Bär benötigt in kurzer Zeit mehr Energie. Der pflanzliche Teil der Nahrung umfasst Gräser, Kräuter, Wurzeln, Früchte, Pilze und Beeren. Der Anteil tierischer Komponenten setzt sich aus Insekten, Eiern, Honig, Kleintieren und Aas zusammen. Gelegentlich werden auch größere Wildtiere wie Rehe oder Hirsche erbeutet. Das Raubtier hält Winterruhe, was vom Winterschlaf abzugrenzen ist. Die Körperfunktionen werden bei der Winterruhe heruntergefahren. Allerdings kann es vorkommen, dass Bären aufwachen und auf Nahrungssuche gehen.

Große Beutetiere wie Schwarzwild werden selten von Bären erlegt. Mit ihrer Schnelligkeit und ihrer Kraft sind sie allerdings in der Lage dazu.
Große Beutetiere wie Schwarzwild werden selten von Bären erlegt. Mit ihrer Schnelligkeit und ihrer Kraft sind sie allerdings in der Lage dazu.

die Situation in Kroatien

Kroatien verfügt über eine große Bärenpopulation: nach aktuellen Schätzungen geht man von einem Bestand von etwa 1.000 Tieren aus. Kroatien hat eine Gesamtgröße von ca. 56.590 km², dies wiederum entspricht etwa 16 % der Landesfläche von Deutschland. Allerdings hat Kroatien auch eine geringere Bevölkerungsdichte als Deutschland (Kroatien: 72 Einwohner pro Quadratkilometer, Deutschland: 232 Einwohner pro Quadratkilometer). Trotz der geringen Bevölkerungsdichte ist Kroatien im Vergleich zu Sibirien oder Alaska ein recht dicht bevölkertes Land. Dies führt unweigerlich dazu, dass es zu Begegnungen und Konflikten zwischen Menschen und Bären kommt.

Heikel werden können Bärenbegegnungen v. a. dann, wenn Jungtiere im Spiel sind.
Heikel werden können Bärenbegegnungen v. a. dann, wenn Jungtiere im Spiel sind.

Wie töten Bären?

Bären töten größere Beutetiere häufig mit Prankenhieben auf den Kopf oder Nacken. Aus diesem Grund sind der Kopf oder Nacken der Beutetiere oft gebrochen. Typisch sind auch Bisse in den Schulter- und Halsbereich der Beutetiere. Außerdem öffnen Braunbären häufig den Brustkorb und den Bauchbereich und fressen die Innereien. Bei Kühen wird auch das Euter gerne angenommen. Mit Hilfe dieser charakteristischen Merkmale bei Rissen von Nutztieren kann die Identifizierung erleichtert werden. 

Umfangreiche Managementpläne

Die Konflikte in Kroatien sollen durch gut durchdachte Managementpläne auf ein Minimum reduziert werden. Das Credo lautet hier: eine Zukunft haben solche Tiere und deren Schutzprojekte in der Regel nur, wenn ausreichend Akzeptanz der ansässigen Bevölkerung vorhanden ist.

Das Management beinhaltet eine Vielzahl an Maßnahmen. Hierzu zählen ein fortlaufendes Monitoring, Forschung, Öffentlichkeitsarbeit sowie Schutzmaßnahmen von Mensch und Tier. Ein finanzieller Ausgleich in Form von Zuschüssen für den Herdenschutz und Entschädigungszahlungen bei Rissen stellen ein wichtiges Element dar.

Weitere Maßnahmen umfassen Grünbrücken über Autobahnen zum Schutz der Tiere und der Autofahrer, Schutz von Weidetieren und Bienenstöcken mit Elektrozäunen, Bärensichere Mülleimer und Ablenkfütterungen. Letztere sollen Konflikte reduzieren und die Bären möglichst fern von den menschlichen Siedlungen halten. Doch die Ablenkfütterung erweisen sich nicht immer als effektiv. Es hat sich gezeigt, dass in Jahren mit einem umfangreichen Nahrungsangebot in den natürlichen Lebensräumen des Großsäugers, die Schäden deutlich geringer ausfallen.

Bären zählen zu den größten beutegreifenden Landsäugern Europas.
Bären zählen zu den größten beutegreifenden Landsäugern Europas.

Eine weitere, in den Managementplänen geregelte Maßnahme, ist die gezielte Entnahme einzelner Tiere. Kroatien ist Mitglied der EU und ist damit verpflichtet, die Flora-Fauna-Habitat Richtlinie (FFH) zu befolgen. Eine Ausnahmegenehmigung zum Abschuss wird nur erteilt, um die Population kontrollierbar zu halten. Entnahmen werden wissenschaftlich von den Schutzbehörden begleitet. Ob Entnahmen stattfinden, wird jedes Jahr unter Berücksichtigung der Population im Rahmen des Monitorings neu abgewogen, damit die Population unter keinen Umständen gefährdet wird. Außerdem enthalten diese Quoten unter populationsökoloigschen Gesichtspunkten eine ausgewogene Anzahl an Individuen unterschiedlichen Alters, Geschlechts und Gewichts.

Werden Abschüsse genehmigt, übernehmen Jagdclubs in den Regionen diese Aufgabe. Insbesondere in den Regionen, in denen die Konflikte am größten sind. Der Abschuss alter Bären wird dabei oft an zahlende Jagdgäste aus dem Ausland verkauft. Für einige Regionen stellt das eine gute Einnahmequelle dar, da derartige Abschüsse einige Tausende Euro einbringen. Die Abschussquoten bieten Diskussionspotenzial, da kritische Stimmen behaupten, sie seien zu hoch angesetzt. Umgekehrt zeigt sich, dass lebende Bären im Rahmen des „Ökotourismus“ eine Einnahmequelle für die hiesige Bevölkerung sein können. Ausgebuchte Unterkünfte, Bärenwanderungen oder Fotohides sind nur einige Beispiele dafür.

Und das Konfliktpotential?

Trotz all dieser Maßnahmen kommt es auch in Kroatien zu Konflikten zwischen Mensch und Bär. Im Umgang mit Großsäugern ist das Management oft ein Abwägen. Gerade bei großen Beutegreifern ist es nahezu unmöglich, einen Weg zu finden, alle Parteien auf einen Nenner zu bringen. Das Management sorgt dafür, dass die Belange von Naturschutz, Landwirtschaft, Jagd und der Bevölkerung in einem Kompromiss aufeinander abgestimmt und umgesetzt werden können. Ein gutes Management scheint dabei der Schlüssel für ein erfolgreiches Zusammenleben zu sein. Denn die Konflikte sind vergleichbar gering und die Akzeptanz hoch.

Bären können durch ihren Kot und das Fell aktiv zur Verbreitung von Pflanzen beitragen und übernehmen eine wichtige Funktion in Ökosystemen.
Bären können durch ihren Kot und das Fell aktiv zur Verbreitung von Pflanzen beitragen und übernehmen eine wichtige Funktion in Ökosystemen.

Anders sieht dies in Rumänien aus. Hier wurde die Entnahme von Bären vor einigen Jahren verboten. Die Population steigt seitdem san und es kommt vermehrt zu Konflikten und Zwischenfällen mit dem Beutegreifer. Die Bären suchen in Städten nach Nahrung. Es kommt zu einer Vielzahl an Problemen und die Akzeptanz des großen Raubtiers sinkt in der Bevölkerung, insbesondere in betroffenen Regionen. Die ärmere Landbevölkerung fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. Zudem ist der Bär einer der wenigen Beutegreifer, bei denen es unter Umständen zu Angriffen auf Menschen kommen kann. Ein Vergleich von Bärenangriffen der Länder Rumänien (131) und Kroatien (3), zwischen 2000-2015, zeigt deutlich, dass ein gutes Management ein Zusammenleben grundsätzlich möglich macht.

Was gilt für Deutschland? Bären zwischen Italien und Deutschland

Eine Studie besagt, dass auch einige Gebiete in Deutschland potenzielle Lebensräume für den Braunbären bieten. Z.B. der deutsche Alpenraum, der Schwarzwald oder der Harz stellen geeignete Lebensräume für Bären dar. Mit einer Etablierung einer Population in Deutschland ist vorerst nicht zu rechnen. Die nächstgelegene Population, die eine Wiederansiedlung ermöglichen könnte, ist die Population in Trentino, Italien. Von dort aus wandern immer wieder einzelne Männchen über die Alpen nach Deutschland. So wie auch die in letzter Zeit beobachteten Bären. Zur Etablierung braucht es jedoch besonders Weibchen. Diese wandern in der Regel weniger weit und haben im Trentino derzeit keinen Bestandsdruck der ein Abwandern wahrscheinlich machen würde.

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