„Der tut doch nichts“, „das hat er doch noch nie getan“. Solche Sätze kennen wir Jäger zu Genüge. Gerade in der Brut-, Setz- und Mähzeit, stehen Risse von Kitze und anderen Wildtieren (Nieder- und Vogelwild) leider an der Tagesordnung.
Wildernde Hunde und Katzen sind ein Ärgernis für alle Jäger. Vielleicht aus diesem Grund liest man des Öfteren in der Presse, dass ein wildernder Hund vom Jäger beim Wildern geschossen wurde. In diesem Beitrag erklären wir Ihnen, welche gesetzlichen Voraussetzungen es für einen Abschuss braucht, wer schießen darf, welche Vorkehrungen der Jäger treffen sollte und ob es klug ist, den Hund bzw. die Katze zu schießen.
Geregelt ist der Abschuss von wildernden Hunden und Katzen in den Landesjagdgesetzen. Um den Umfang dieses Artikels nicht zu sprengen, habe ich mich im Detail auf mein Heimatbundesland Baden-Württemberg und die Regelungen aus Bayern, die in den anderen Bundeländer ähnlich sind, beschränkt und bitte um Nachsicht, dass die weiteren 14 Regelungen nur oberflächlich angerissen werden können.
Strenge Regeln in Baden-Württemberg
Eine der strengsten Regelungen zu wildernden Hunden und Katzen finden wir in Baden-Württemberg. Dort ist der Abschuss von wildernden Hunden und Katzen in § 49 JWMG geregelt. Dort heißt es, dass die jagdausübungsberechtigte Person und anerkannte Wildtierschützer/-innen in ihrem Jagdbezirk Hunde, die erkennbar Wildtieren nachstellen und diese gefährden, mit schriftlicher Genehmigung der Ortspolizeibehörde im Einzelfall töten dürfen, wenn a) das Einwirken auf ermittelbare Halterinnen und Halter sowie Begleitpersonen erfolglos war und b) andere mildere und zumutbare Maßnahmen des Wildtierschutzes, insbesondere das Einfangen des Hundes, nicht erfolgsversprechend sind. Ausgenommen sind die Tötung von Blinden-, Hir-ten-, Jagd-, Polizei- und Rettungshunden, die als solche kenntlich sind.
Bei wilderden Katzen ist die Regelung noch strenger. Streunende Hauskatzen dürfen (nur!) im Jagdbezirk in Wildruhegebieten nach § 42 JWMG mit Genehmigung der unteren Jagdbehörde und mit Genehmigung der zuständigen Naturschutzbehörde in entsprechenden Schutzgebieten im Einzelfall getötet werden, sofern der Schutzzweck es erfordert und andere mildere und zumutbare Maßnahmen nicht erfolgversprechend sind.
Wann gelten Hunde als wildernd?
In der Praxis – und nach dem Willen des Landesgesetzgebers – bedeutet dies, dass der Abschuss von wildernden Hunden oder Katzen in Baden-Württemberg (fast) nicht mehr möglich ist. Fun-fact am Rande – in Baden-Württemberg wird das erste Wildruhegebiet in Bad Wildbad von der Größe von 50 ha gerade erst geplant.
In Freistaat Bayern ist der Abschuss eines Hundes bzw. einer Katze hingegen anders kodifiziert. Dort haben die Jagdschutzberechtigten nach Art. 42 BayJG (Aufgaben und Befugnisse der Jagdschutzberechtigten) die Pflicht ihr Wild zu schützen und es ist ihnen erlaubt, wildernde Hunde und Katzen zu töten.
Hunde gelten als wildernd, wenn sie im Jagdrevier erkennbar dem Wild nachstellen und dieses gefährden können. Katzen gelten als wildernd, wenn sie im Jagdrevier in einer Entfernung von mehr als 300 Meter vom nächsten bewohnten Gebäude angetroffen oder in Fallen gefangen werden. Auch nach dieser Vorschrift sind „arbeitende“ Hunde, wie Jagd-, Dienst-, Blinden- und Hirtenhunden, soweit sie als solche kenntlich sind und zu dem Zeitpunkt zu ihrem Dienst verwendet werden von der Tötungsbefugnis ausgenommen. Ebenso dürfen in Fallen gefangenen Katzen, deren Besitzer eindeutig und für den Jagdschutzberechtigten in zumutbarer Weise festgestellt werden können, nicht getötet werden.
Verfolgen einer Fährte kann Abschussgrund sein
In anderen Worten heißt das, der Hund muss ohne Einwirkungsmöglichkeit unterwegs sein. Außerdem muss der Hund in der Lage sein, das Wildtier wirklich zu gefährden. Ein Chihuahua darf also nicht geschossen werden, wenn er einen Keiler nachstellt. Weitere Voraussetzung ist das „erkennbare Nachstellen“ des Wildes. Einerseits genügt das bloße unbeaufsichtigtes Schnüffeln nicht aus. Andererseits muss der Jäger nicht abwarten, dass der Hund das Wild hetzt, anfällt oder reißt, damit er schießen darf. Das „zielgerichtete Verfolgen“ der Fährte eines konkreten Tieres genügt.
Die anderen Bundesländer haben zum Teil sehr ähnliche Vorschriften wie der Freistaat Bayern. In vielen Vorschriften der anderen Landesjagdgesetzen ist das „Wildern“ eines Hundes mehr oder minder ähnlich beschrieben. Am ehesten unterscheiden sich die Vorschriften bei den Entfernungen für die Tötung von Katzen. So dürfen Katzen nach § 21 LJagdG in Schleswig-Holstein bereits bei 200 Metern zum nächsten bewohnten Gebäude/(Wohn-)Haus getötet werden. Das gleiche gilt in Hamburg nach § 22 JagdG HA, in Bremen nach Art. 27 LJagdG, in Mecklenburg-Vorpommern nach § 23 LJagdG M-V, in Brandenburg nach § 40 BbgJagdG, in Thüringen nach § 42 ThJG und in Rheinland-Pfalz nach § 33 LJG
Kalender im Auge haben
In Niedersachen beträgt die Entfernung entgegen, wie im Freistaat Bayern, nach § 29 NJagdG 300 Metern zum nächsten bewohnten Gebäude/Haus. Ebenso in Sachsen-Anhalt nach § 31 LJagdG und in Sachsen nach § 27 SächsJagdG.
Eine Sonderrolle nimmt das Land Berlin ein. Im dortigen § 33 LJagdG Bln sind keine Entfernungen zu finden, sondern es wird auf die Einwirkung der führenden Person abgestellt. Liegt diese nicht vor, dann darf man wildernde Katzen sowie Hunde töten. Im Land Hessen wiederrum muss man den Kalender im Auge haben. Nach § 32 HJagdG können Hunde, die im Jagdbezirk außer-halb der Einwirkung von Begleitpersonen Wild nachstellen, und Katzen, die in einer Entfernung von mehr als 500 Meter, im Zeitraum vom 1. März bis 31. August in einer Entfernung von mehr als 300 Meter von der nächsten Ansiedlung jagend angetroffen werden, getötet werden.
Hier ist die Tötung von Katzen verboten
Die Länder NRW und Saarland stechen hier besonders heraus. Dort ist die Tötung einer Katze ein sachlicher Verbot nach § 19 LJG-NRW oder § 32 SJG. In NRW begehen die Eigentümer der Katzen gleichzeitig eine Ordnungswidrigkeit nach § 55 LJG-NRW, wenn diese die Katzen unbeaufsichtigt im Jagdbezirk umherlaufen lassen. Im Saarland hingegen ist nach § 32 SJG auch die Tötung von Hunden nur in begründeten Ausnahmefällen, insbesondere in Wiederholungsfällen und nur nach einer Anordnung durch die Ortspolizeibehörde, möglich.
In allen Jagdgesetzen, in denen die Tötung von wildernden Hunden und Katzen erlaubt ist, dürfen die Jagdpächter und die beauftragten Wildtierschützer bzw. Jagdaufseher den Abschuss vollziehen. In einzelnen Landesgesetzen (beispielsweise Hessen) können auch Jagdgäste schriftlich beauftragt werden.
Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt
In den oberen Absätzen haben wir das „ob“ beschrieben, d.h. die Abschussvoraussetzen in den entsprechenden Landesgesetzen. Dies bedeutet aber nicht, dass die entsprechenden Behörden bzw. Gerichte der Meinung der Jägerin bzw. des Jägers, zum Zeitpunkt des Abschusses, auch folgen. Wir sollten nämlich nicht aus den Augen verlieren, dass wir durch einen solchen Abschuss den Tatbestand einer Sachbeschädigung nach § 303 StGB (im Rahmen des StGB gelten Tiere trotz der Regelung des § 90a BGB weiterhin als Sachen) erfüllen. Ohne einen Rechtfertigungsgrund ist dies ein Verhalten, dass strafrechtliche, tierschutzrechtliche (§ 17 TierSchG) und verwaltungsrechtliche (Stichwort: Zuverlässigkeit) Konsequenzen auslösen und einen zivilrechtlichen Schadensersatz begründen kann.
Beweisvideo kann helfen
Und wie soll nun die Notwendigkeit eines solchen Abschusses nachgewiesen werden? Nun ich empfehle jeder Jägerin und jedem Jäger sich vor dem Abschuss eines wildernden Hundes bzw. einer Katze genau darüber Gedanken zu machen, wie man das „Wildern“ nachweisen kann. Denn nach dem Schuss haben wir nur Aussage (Jäger) gegen Aussage (Eigentümer Hund bzw. Katze), da weder der tote Hund bzw. Katze noch das nachgestellte Wild eine Aussage tätigen werden. Daher sollte die Jägerschaft, auch im Hinblick auf eine etwaige Beweisführung für den Abschuss bzw. dessen Notwendigkeit, ein Beweisvideo vor bzw. während des Abschusses anfertigen.
Dies sollte gerade in der heutigen Zeit und mit der zur Verfügung stehenden Technik, wie beispielsweise Vor- und Nachsatzgerät, durchaus machbar sein. Die meisten modernen Vor- bzw. Nachsatzgeräte zeichnen beispielsweise vor einem Abschuss gewisse Zeitabschnitte (5-15 Sekun-den) als Video auf. Diese Videos sind dazu geeignet nachzuweisen, dass der Hund dem Wild bereits in ausreichender Art und Weise dem Wild „erkennbar nachgestellt“, in anderen Worten „gewildert“ hat und ein Abschuss daher gerechtfertigt war. Beim Abschuss von Katzen sollten hingegen die Ortskenntnisse genau bekannt und überprüft werden. Die meisten Landesgesetze sprechen von 200 bis 300 Meter Luftlinie zum nächsten bewohnten Gebäude/Wohnhaus. Dies sollte man, mit entsprechenden Kartenmaterial beweissicher darlegen können. Bei Wildriss kann Jäger Schadensersatz verlangen
Die Jägerschaft steht aber nicht schutzlos dar. Reißt ein freilaufender Hund ein Stück Wild, dann kann der Jäger den Hundehalter ebenfalls auf Schadensersatz verklagen. Ebenso kann der Hun-dehalter bei einem bewussten „wildern“ des Hundes wegen Wilderei nach § 292 StGB mit einer Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden.
Dennoch sollten wir Jäger, trotz der rechtlichen Berechtigung, nicht auf unser Recht pochen, sondern von einem zu schnellen Abschuss eines Hundes oder einer Katze absehen und immer die gesellschaftlichen Konsequenzen im Auge haben. Wir sollten uns die Frage stellen, in welchen Licht wir Jäger bei der nichtjagenden Bevölkerung gesehen werden möchten und gerade in diesen Zeiten, in den Tier- und Naturschutzverbände gegen die Jägerschaft massiv mobilisie-ren, ihnen nicht noch einen weiteren Grund geben, um die Jägerschaft als Bambi- oder Katzen-mörder zu stigmatisieren. Mir ist zwar durchaus bewusst, dass der wildernde Hund bzw. die Kat-ze für uns ein unliebsamer Störfaktor im Revier ist, der das Wild im besten Fall nur nachstellt und im schlimmsten Fall auch reißt.
Haustierabschuss immer als letztes Mittel
Dennoch sollte die werte Leser- und Jägerschaft ihr bestehendes Abschussrecht nur sehr restriktiv ausüben. Es sollte nicht vergessen werden, dass der wildernde Hund bzw. die Katze für die Eigentümer meist eine Art „Familienmitglied“ ist. Daher lautet meine Empfehlung, zumindest in Betracht zu ziehen, die wildernde Katze oder den wildernden Hund, wenn möglich, einzufangen und an die entsprechenden Stellen abzugeben oder das Gespräch mit den Eigentümern zu suchen. Nur so können wir, auch im Hinblick auf die nichtjagende Bevölkerung, als Vorbilder für Natur, Wald und Wild auftreten und nicht als Tiermörder diskreditiert werden. Der Abschuss eines wildernden Hundes oder einer Katze sollte nur das letzte anzuwendende Mittel sein, um das Wildern zu beenden.
Zur Person
Roberto G. Ruscica, LL.M., geboren in Stuttgart, Jagdschein seit 2022 und Dozent im Jagdrecht bei der KJV Ludwigsburg. Rechtsanwalt seit 2016 mit besonderem Augenmerk auf das Jagd- und Waffenrecht, sowie dem angrenzenden Strafrecht.Passionierter Jäger, stets begleitet von seinem Magyar Vizsla Camillo.
Tel.: 0711 82083817
E-Mail: kontakt@ra-ruscica.de