Jagdneid: Sei ehrlich zu dir selbst

Neid gehört zu den sieben Todsünden. Auch auf der Jagd kommt Neid vor. Unsere Autorin erklärt, wie damit am besten umzugehen ist.
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17. März 2023
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Jagdtrophäen sind ein häufiger Grund, warum es innerhalb von Jagdgemeinschaften zu Neid kommt.
Jagdtrophäen sind ein häufiger Grund, warum es innerhalb von Jagdgemeinschaften zu Neid kommt.

Könnte die Jägerschaft ein Unwort des Jahres wählen, dann stünde das „Bild nach Außen” wohl ganz hoch im Kurs. Nicht, weil die Idee, die Jagd in der Öffentlichkeit positiv darzustellen, verkehrt ist, sondern, weil sogar das „Bild nach Innen” oftmals noch nicht stimmt. Jeder weiß, dass dem einen oder anderen Jäger die Missgunst ins Gesicht geschrieben steht. Dafür hat sich ein eigenes Wort etabliert – der sogenannte Jagdneid. Neid ist bereits in der Bibel als Todsünde benannt. Daraus lässt sich schließen, dass sich diese Eigenschaft schon seit tausenden von Jahren in die Charaktere der Menschen einschleicht. Neid ist ein Phänomen, das bei jedem Menschen auftreten kann. In der Tierwelt existiert beispielsweise der Futterneid. Neid lässt sich daher konkreter als den Ärger über die Freude eines anderen beschreiben.

Jagdneid ist keine spezielle Form des Neidens. Auch bei diesem geht es um das „nicht gönnen” einer Freude, eben bezogen auf eine jagdliche Freude. Darunter fallen Abschüsse, aber auch Trophäen verschiedener Größen und Formen oder Jagdgelegenheiten. Der Jagdneid kann aus zwei Perspektiven erlebt und gesehen werden: einerseits aus der Perspektive des Neidenden, andererseits aus der des Beneideten. Nicht selten findet sich derselbe Mensch zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den verschiedenen Rollen. Neidende Jäger sind oftmals auch beneidete Jäger, zumindest vom Gefühl. Denn von der Erwartungshaltung an sich selbst, wird auch genauso auf andere geschlossen. Der Vergleich mit anderen, der in diesen Personen tiefverankert ist, wird dann auch von den anderen erwartet.

An der Strecke wird oft nur das Ergebnis begutachtet, ohne die Hintergründe der Jagd zu erfragen.
An der Strecke wird oft nur das Ergebnis begutachtet, ohne die Hintergründe der Jagd zu erfragen.

Interpersonelle Ursachen und die Perspektive des Beneideten

Ein Ansatz, das Phänomen zu erklären, ist die „Projektion” – ein Begriff aus der Tiefenpsychologie. Bei der Projektion werden Eigenschaften von uns selbst, die wir entweder offen oder verdeckt in uns tragen, auf andere Menschen übertragen, also projiziert. Ein einfaches Beispiel hierfür ist, einem anderen Menschen vorzuwerfen, dass er seine Gefühle nicht richtig zeigen kann, obwohl das das Problem von einem selbst ist. Auch der Jagdneid einer Person kann so auf andere übertragen werden. In kleinen bis mittelgroßen Gruppen wird der Neid dann deutlich spürbarer. Befinden sich in einem Kreis aus Jägern nur wenige Personen mit einer hohen Tendenz, andere zu beneiden, wird das Ausmaß des wirklichen Neides häufig überschätzt.

Das liegt daran, dass in Gruppen in den seltensten Fällen untereinander nur Worte ausgetauscht werden, sondern auch Gefühle. Nach außen auffällig wird der Jagdneid dabei beispielsweise durch abschätzige Äußerungen, Schlechtreden des Erfolgs, unfreundliches und unkameradschaftliches Verhalten oder passiv-aggressive Verhaltensweisen. Dazu zählt zum Beispiels auch ein nicht gewünschtes “Waidmannsheil”. So entwickelt sich oftmals eine Dynamik in eine unschöne Richtung. Schließlich reagieren die anderen Gruppenmitglieder wiederum negativ auf diejenigen, die die unangenehme Stimmung verbreitet haben. Bei größeren Gruppen, beispielsweise auf Gesellschaftsjagden, liegt die Rettung vor solchen Gefühlen meistens in der eigens gewählten Ausweich-Gruppe, um der Projektion nicht ausgesetzt zu sein.

Jagdneid selbst verhindern

Ein weiteres Problem ist, dass die Jagd neben ihren traditionellen und naturschützenden Werten auch einen selbstdarstellenden Charakter hat. Selbstdarstellung hat den gravierenden Nebeneffekt, dass jener, der gut aussehen möchte, sich auch gut aussehen lässt. Grundlage für die aus der Selbstdarstellung resultierenden Konsequenzen jedoch ist die Bewertung anderer. Bevor die Bewertung vorgenommen wird, sollte dafür innerlich ein Schritt zurück gemacht werden. Bei der Bewertung der Darstellung anderer ist es hilfreich, im Vorfeld verschiedene Fragen zu beantworten: War ich dabei, als das Tier erlegt wurde? Weiß ich, wie der Schuss aussah? Weiß ich, wie lange die Person gebraucht hat, bis das passende Stück vor die Büchse kam? Diese und weitere Fragen bezüglich der Kontextfaktoren sollten sich gestellt werden, bevor eine Bewertung, oder vielleicht sogar Abwertung des Erfolges des anderen vorgenommen wird. Manchmal hilft eine nüchterne Betrachtung, um vorzubeugen, selbst in die Position des Neidenen zu geraten.

Eine Kritik, die Jäger gerne untereinander üben, ist die mangelnde Ehrlichkeit, welche genau daraus entstehen kann. Am liebsten wird mit den Erfolgen geprahlt, Misserfolge finden oft keine Erwähnung. Das geschieht entweder bewusst oder auch dann und wann unbewusst. Das bedeutet, dass nach unschönen Erfahrungen, welche eine Spannung zwischen der Realität und dem gewünschten Selbstbild entstehen lassen, im Nachhinein ganz automatisch dieses Erlebnis geschönt wird, um sein eigenes Selbstbild nicht zu gefährden. Der Spannungszustand und die unangenehmen Gefühle werden dadurch verringert. Gepaart mit neidanfälligen Werten wie Prestige und Status sind Reibereien quasi vorprogrammiert. Der erste Schritt ist dabei, wie so oft, bei sich selbst anzufangen.

Intrapersonale Ursachen für Jagdneid

Ein Risikofaktor für das Entstehen von Jagdneid ist eine geringe Selbstwirksamkeit, also Erfahrungen damit, die Umwelt selbst zu beeinflussen. Selbstwirksamkeit entsteht aus eigenen Erfolgen oder Misserfolgen, dem Vergleich mit anderen, der Rückmeldung auf das eigene Verhalten sowie das affektive, also gefühlstechnische, Erleben. Steigt diese nach einem Erlebnis an, hat das einen belohnenden Charakter durch die entstehende Freude. Bleibt dieser Anstieg aus, gibt es dementsprechend keine Glücksgefühle. Wichtig dabei ist, einen Blick darauf zu werfen, woher der Jagderfolg rührt. Dabei sollte in innere und äußere Faktoren unterteilt werden. Ein einfaches Beispiel hierfür: Gehe ich oft auf den Ansitz, steigt äußerlich die Chance. Bleibe ich lieber auf dem Sofa, sinkt die Aussicht auf Jagderfolg.

Für die eigene Selbstwirksamkeit muss dann die Frage gestellt werden „Bin ich daran schuld, oder waren es die äußeren Bedingungen?”. Geht ein Erlebnis auf innere Faktoren zurück, hat dieses deutlich mehr Gewicht. Unter der Berücksichtigung dieser Faktoren kann der sogenannte fundamentale Attributionsfehler auftreten. Er beschreibt, dass Menschen dazu neigen, ihre eigenen Misserfolge auf äußere Umstände zu schieben. Im Gegensatz dazu werden die (als negativ erachteten) Verhaltensweisen anderer Personen der Persönlichkeit zugeschrieben, statt die äußeren Umstände mit einzubeziehen. Beispielsweise würde der eigene Fehlschuss an der Waffe liegen (äußerer Faktor), beim anderen jedoch daran, dass er allgemein so eine ungeduldige Person ist (innerer Faktor).

Neid ensteht also oftmals dann, wenn die eigene Erwartung und die tatsächlichen Fähigkeiten nicht übereinstimmen. Er resultiert aber auch daraus, dass der Jagderfolg anderer überschätzt wird. In Zeiten von Selbstdarstellung in den sozialen Medien ist eine gute Abwägung von Realität und gezeigter Wahrheit wichtig. In jedem Menschen sind die Möglichkeiten zur Bewältigung veranlagt. Es beginnt dabei, vor der eigenen Tür zu kehren, den Mund aufzumachen und das Gespräch zu suchen. In einer wohlwollenden Jägerschaft wird keiner für Misserfolge verurteilt, wenn die richtige Einstellung zu Jagd, zum Wild und den Mitjägern steht. Stolz darf man empfinden. Vor allem aber darüber, das Privileg der gemeinsamen Jagdausübung erleben zu können. Denn Jagd ist mehr als ein Knochen an der Wand.

Jagdneid vorbeugen: Reflektion als Hilfe

Wollen Sie Ihre Gedanken im Nachhinein nicht unbewusst beschönigen, hilft es, das Erlebnis inklusive der dort entstandenen Gefühle direkt aufzuschreiben. Darauf können Sie in den darauffolgenden Erzählungen immer zurückgreifen. Ein Fehlschuss wird im Nachhinein gerne kleingeredet, da das fürs eigene Gewissen besser verkraftbar ist. Bedenke - jeder Mensch ist fehlbar und jeder Mensch macht Fehler, zu denen gestanden werden darf. Nur dadurch kann man lernen und von den Erfahrungen anderer mit ähnlichen Situationen profitieren.

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