Bellen im Wald: Warum machen Rehe diese Geräusche?

Im Frühjahr wird es lauter in der Natur. Auch unser Rehwild ist nun wieder laut zu hören. Aber: Was steckt hinter dem Schrecken?
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Das Schrecken des Rehwilds verwechseln Unwissende oft mit dem Bellen von Hunden. Aber: Was steckt eigentlich hinter dem Schrecken?

Schrecklaute sind unter Huftieren weit verbreitet. Obwohl Rot-, Dam- und Sikawild auch zu vergleichbaren Lautäußerungen im Stande sind, ist es das Rehwild, welches besonders häufig schreckt. Dies liegt neben seiner großen Verbreitung und Häufigkeit auch an seiner im Vergleich zu anderen Wiederkäuern ausgeprägteren individuellen Neigung dazu.

Schrecken: Das steckt dahinter

Jeder hat schon einmal erlebt, dass Rehe ihren markanten „Bö-Laut“ von sich geben, wenn sie eine Gefahr wähnen, die sie nicht eindeutig zuordnen können. Dieser wird dann besonders laut und stakkatoartig ausgestoßen und die potenzielle Gefahrenquelle dabei in der Regel nicht aus den Augen gelassen. Manchmal beobachtet man auch, wie sie dabei mit ihren Läufen aufstampfen und mit dem Haupt auf und ab wippen. Rehe tun dies, um einem vermeintlichen Räuber klar zu machen, dass er entdeckt ist. Eine weitere Verfolgung lohne nicht und beide würden sich energiezehrende Verfolgungsjagd „sparen“.

Bewuchs und Schrecken: Gibt es einen Zusammenhang?

Geschreckt wird im Verlauf des Jahres in unterschiedlicher Intensität. Während es im Winter nur selten zu hören ist, kommt es ab dem Frühjahr zu einem deutlichen Anstieg. Durch die einsetzende Vegetation können Gefahrenquellen nun weniger gut identifiziert werden. Daraus lässt sich die Grundregel ableiten: Je schlechter die Sicht, desto häufiger wird geschreckt.

Schrecken alle Altersklassen und beide Geschlechter?

Geschreckt wird grundsätzlich von beiden Geschlechtern und allen Altersklassen. Kitze sind bereits etwa ab dem dritten Lebensmonat dazu in der Lage. Ihr selten zu hörender Schrecklaut hört sich wesentlich höher an als der älterer Stücke. Sie sind auch die Einzigen, die sich sicher von anderen ihrer Art unterscheiden lassen. Böcke erzeugen zwar im Vergleich zu Ricken tiefere und etwas kürzere Töne. Für den Jäger sind diese aber meist nur im direkten Vergleich unterscheidbar.

Warnlaut-Konzert: Das ist die Strategie

Interessant ist die Tatsache, dass Ricken mit Nachwuchs häufiger schrecken als dies weibliche Einzelgänger tun. Nicht selten kann sich, ausgehend von einem schreckenden Reh, ein richtiges Konzert entwickeln, sodass manchmal bis zu fünf Stücke von allen Seiten „Laut geben“. Dies steht jedoch nicht in erster Linie im Sinne des Warnens. Wahrscheinlicher ist, dass es sich um eine Gemeinschaftsstrategie handelt, womit ein potenzieller Feind verwirrt werden soll (Oli & Jacobson 1995).

Weshalb schrecken alte Böcke häufiger als jüngere Rehböcke?

Grundsätzlich schrecken Böcke häufiger als Ricken (Reby et al. 1999). Oft tun es Böcke auch dann, wenn es keinen erkennbaren Grund dazu gibt. Dieses Verhalten kann nicht im Zusammenhang mit Feindvermeidung oder dem Warnen anderer Rehe stehen. Tatsächlich handelt es sich um einen Laut, der im Sinne der Territorialität zu verstehen ist. Sehr vereinfacht könnte er übersetzt heißen: Hier bin ich, das ist mein Territorium. Dies ist auch der Grund, warum ältere Böcke häufiger Schrecken als jüngere. Neben optischen und olfaktorischen Botschaften der Revierabgrenzung ist es als akustisches Signal der Besitzanzeige eines Gebiets zu deuten. Auf diese Weise trägt es dazu bei, sich kampflos aus dem Weg zu gehen. Sehr wahrscheinlich können sich Reviernachbarn sogar an der Stimme erkennen.

Das steckt hinter dem "Bellen" des Rehwilds

Vermutlich ist diese Form des Lautes evolutiv zunächst im Rahmen der Feindvermeidung entstanden. Später wurde es teilweise umfunktioniert und von Böcken auch zur Territorialabgrenzung eingesetzt. Welche detaillierten Informationen sie noch mitteilen, ist jedoch noch nicht vollständig entschlüsselt.

Lässt sich mit Schrecken Rehwild anlocken?

Dem Jäger, der das Schrecken nachahmt, wird es nicht selten gelingen, ein Rückschrecken eines anderen Stück Rehwildes zu provozieren. Vereinzelt wird sich auch ein Bock zum Zustehen bewegen lassen, in der Annahme, es könnte sich um einen Eindringling handeln. Dies zeigen auch Versuche an besenderten Böcken, denen Schrecklaute von ihren jeweiligen Reviernachbarn vorgespielt worden sind. Hier kam es in etwa einem Drittel der Fälle zu einer Reaktion der Territoriumsinhaber auf den vermeintlichen Eindringling. Etwa die Hälfte dieser Böcke schreckte ohne ihren Platz zu verändern, die andere Hälfte näherte sich dem Lautsprecher und nur einmal floh der Revierinhaber (Reby et al. 1999).

Selbst Böcke „herbeizuschrecken“ und daraus vielleicht sogar eine zuverlässige Strategie entwickeln zu wollen, ist demnach sicher schwierig. Zuverlässiger lässt sich der nachgeahmte Schrecklaut bei ziehenden Rehen einsetzen, um sie zum Verhoffen zu bringen. Rehe reagieren darauf im Allgemeinen besser als auf einen Pfiff. Vielleicht probieren Sie es selbst einmal aus. eu

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