Waschbären ausgesetzt: Welche Folgen hatte das für die Reviere?

In den 1930er-Jahren wurden Waschbären in Revieren ausgesetzt. Mit den Folgen hatten wohl die wenigsten gerechnet.
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20. Mai 2023
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Kulturfolger: Waschbären sind fruchtbar und sehr anpassungsfähig. Das macht sie für viele Arten so gefährlich.
Kulturfolger: Waschbären sind fruchtbar und sehr anpassungsfähig. Das macht sie für viele Arten so gefährlich.

In unserem märkischen Revier sind Kiebitze verschwunden, der Wachtelschlag ist nur noch selten zu hören und auf Gräben fallen kaum noch Enten ein. Der einzige Horst eines Schwarzstorchs ist seit Jahren verwaist, und im Sommer fällt es auf, wenn mal eine Lerche jubiliert. Erdkröten und Grasfrösche sind nicht mehr zu sehen oder zu hören. Ein Grund neben manchen anderen dürfte der ach so niedliche Waschbär sein, der sich seit Jahren in unserem Land breit macht und alles vertilgt, dessen er habhaft werden kann.

In Deutschland haben sich die Strecken des invasiven Räubers in den vergangenen 20 Jahren mehr als verzwanzigfacht! Spitzenreiter sind gegenwärtig Brandenburg, Hessen und Sachsen-Anhalt. In diesen drei Bundesländern übertreffen die jährlichen Waschbärstrecken schon lange die Fuchsstrecken. Vergleicht man die Strecken von vor 20 Jahren mit denen von heute, springt die Rasanz des Anstiegs sofort ins Auge. Nur in wenigen Bundesländern scheint Procyon lotor noch nicht flächendeckend verbreitet zu sein.

Waschbären − das Aus für viele Arten

Bereits 2016 hat die EU den Waschbären als invasive Art mit erheblichem Gefahrenpotenzial in die „Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung“ aufgenommen und die Mitgliedsländer aufgefordert, energisch gegen den Eindringling vorzugehen. Man sollte deshalb erwarten, dass Waschbären überall ganzjährig Jagdzeit haben, auch wenn sie laut Bundesjagdgesetz keine jagdbare Art sind. In neun Bundesländern ist das auch der Fall, wobei in Bayern sogar der Elterntierschutz nach § 22 Abs. 4 BJagdG komplett ausgesetzt ist; in Mecklenburg-Vorpommern gilt das lediglich in bestimmten Küstenregionen, um dort Brutvögel zu retten. In den übrigen Bundesländern mit Schonzeit für Waschbären, was den EU-Vorgaben wohl widerspricht, sind immerhin Jungtiere (mit Ausnahme von Berlin) ganzjährig bejagbar.

In der wissenschaftlichen Literatur wird für verschiedene Vogel-, Reptilien- und Amphibienarten Prädation durch den Waschbären beschrieben. Besonders kritisch ist die Lage bspw. für die Europäische Sumpfschildkröte, die nur noch in Restbeständen bei uns vorkommt. In Brandenburg steht die Vernichtung der letzten Schildkrötenbestände zu befürchten. Aber auch Erdkröte oder Grasfrosch werden lokal komplett ausgerottet, wie das in unserem Revier der Fall ist. Die Kleinbären revidieren jede Nacht Grabenränder und angrenzende Feld- bzw. Wiesenbereiche. Alles, was dort kreucht und fleucht und was überwältigt werden kann, wird auch gefressen. Da die Waschbären geschickte Kletterer sind, entgehen ihnen auch keine Gelege oder Nestlinge. Selbst junge Uhus in Steinbrüchen sind in Gefahr. Der negative Einfluss des Räubers ist naturgemäß umso größer, je weniger Individuen der jeweiligen Beuteart noch vorhanden sind. Bei Uhu und Sumpfschildkröte kann der Verlust jedes einzelnen Individuums zum Erlöschen eines Bestandes beitragen.

Ausbreitung mit allen Mitteln verhindern

Was ist zu tun? Waschbären werden in den vielen Revieren vermutlich eher als „Beifang“ zur Strecke kommen. Zu groß ist der Zwang, sich den Sauen und anderen Arten zu widmen, die Wildschaden verursachen können. Mittel der Wahl ist also die Fangjagd. Das bedeutet aber für Jagdausübungsberechtigte mindestens einmal täglich die Kontrolle der Fallen. Das funktioniert jedoch leider nur, wenn man direkt im Revier wohnt oder dort jemanden hat, der die tägliche Kontrolle übernimmt, der gefangenes Wild erlegt und die Fallen neu beködert und fängisch stellt. Zudem werden jagdliche Maßnahmen nur dann dauerhaften Erfolg haben, wenn den Kleinbären in nahezu jedem Revier energisch und dauerhaft nachgestellt wird. Ich habe durchaus meine Zweifel, ob das gelingt. Insofern ist die Prognose eher düster, wenn sich die Kleinbären noch weiter ausbreiten. Besonders wachsam sollten die Bundesländer und Reviere sein, wo der ungeliebte Räuber sich gerade erst etabliert. Dort muss seine Ausbreitung mit allen jagdlichen Mitteln und mit größter Konsequenz verhindert werden.

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