Rehwild verfügt über ein festes relativ kleines Territorium, dessen Grenzen es mehrmals täglich kontrolliert und markiert. Dabei werden zwangsläufig auch alle neuen und interessant duftenden Stellen mehr oder weniger intensiv angewechselt und bewindet. Zudem ist hinlänglich bekannt, dass Rehe eine Vorliebe für salzige, aber vor allem auch süße und fruchtige Geschmacksrichtungen unterschiedlichen Ursprungs haben. Bei seinen Äsungspflanzen bevorzugt das Reh als Konzentratselektierer zudem eiweißreiche Energielieferanten. Das sind neben Leguminosen (Erbsen, Luzerne, Klee etc.), milchreifes Getreide und die Knospen junger Sträucher und Bäume. Doch was tun, wenn derlei „Anlaufstellen“ nicht vorhanden sind?
Landesjagdgesetze und Durchführungsverordnungen beachten!
Salzstein und Paste machen Rehe sichtbar
Wenn also das Rehwild im Frühjahr die Salzlecken anläuft oder das erste frische Grün an den Straßenrändern (Streusalz wird von den Pflanzen aufgenommen) äst, ist das nicht ein Zeichen von Naschsucht, sondern purer Ausgleich von über den Winter aufgelaufenen Defiziten an Mineralsalzen. Um Rehwild „sichtbar“ zu machen, kann es sich daher lohnen, im Revier Salzlecken zur Verfügung zu stellen. Die Kosten halten sich in Grenzen, denn ein zehn Kilogramm schwerer Salzstein kostet gerade einmal fünf bis sieben Euro.
Salzlecken gibt es in den unterschiedlichsten Bauweisen. Am bekanntesten sind sicher die Stamm- und Stocksulze. Früher wurden jedoch auch oft Kisten- und Lehmsulzen angelegt. Der Fachhandel hält zudem spezielle Salzpasten bereit, die einfach an einen Stamm gestrichen werden. Um die Wirkung zu verbessern, werden diesen Pasten Duftstoffe wie Trüffel- oder Anisöl zugesetzt.
Ein angenehmer Nebeneffekt von Stocksulzen ist, dass diese nicht nur von den Rehen, sondern ebenso von allem anderen Schalenwild angenommen werden. Zudem gehen Feldhasen, Kaninchen und Federwild auch ganz gerne dran. Etwas Sammelleidenschaft vorausgesetzt, lässt sich die natürliche Äsung der Rehe mit Salz „veredeln“. Dazu werden Eicheln, Ross- oder Esskastanien gesammelt, mit Viehsalz bestreut und mit Wasser bedeckt. Rosskastanien sollten wegen ihrer Größe vor der Einlagerung allerdings durch einen Gartenhäcksler geschickt werden. Die ganzen Früchte sind für Rehe kaum zu knacken. Übertreiben sollte man es mit dem Salz aber natürlich nicht.

Zuckerrübe und Zuckerlecke
Unser naschhaftes Rehwild liebt jedoch nicht nur Salziges, sondern hat auch was für Süßes übrig. Feldjäger sollten daher im Revier gezielt nach auf dem Acker liegenden Zuckerrüben oder Rübenmieten Ausschau halten oder die süßen Wurzeln gezielt auslegen.
Im Wald bringen Zuckerlecken das Rehwild auf die Läufe beziehungsweise in Anblick. Ähnlich der Kistensulze arbeiten wir bei der Zuckerlecke mit einer Blechdose, einer Holzkiste oder mit einem Abflussrohr als Spender auf einem Leckpfahl. Statt weißen Kristallzuckers sollten dort wegen der längeren Haltbarkeit Rohrzuckerklumpen, glasierte Zuckerhüte oder Kandiszucker eingefüllt werden. Bestehende Salzlecken lassen sich leicht mit Zuckerrübensirup oder Apfeldicksaft zur Zucker- oder Kombilecke umfunktionieren.
Grafschafter oder Zörbiger Zuckerrübensirup gibt es in jedem Supermarkt für kleines Geld zu kaufen (Preis: ca. 2,28 Euro je 1000 Gramm). Schwieriger gestaltet sich die Beschaffung von Apfeldicksaft, der als Konzentrat für die Herstellung von Apfelsaftgetränken entsprechenden Betrieben als Großgebinde vorbehalten ist. Und der im Bioladen angebotene Dicksaft ist zu teuer, um ihn zum Anlocken von Wild zu benutzen.
Trester, Hafer, Mais und Apfel
Jedem ist die Mischung aus Apfeltrester und Getreide (Mais, Hafer) als Kirrmaterial geläufig. Um diese fruchtig-süße Note zu verstärken, können zusätzlich Futterrosinen (Preis: 17 Euro für 10 Kilogramm) untergemischt werden. Selbstverständlich ist es auch möglich, gehacktes oder ganzes Fallobst (Äpfel) auszubringen.
Eine ähnlich starke Lockwirkung geht von Körnermais aus, dessen Wirkung mit unterschiedlichen Stoffen verbessert werden kann. Besonders gern werden die goldenen Körner angenommen, wenn sie vorher eingewässert wurden und dadurch weicher geworden sind. Neben dem Ansatz über Nacht in Apfelsaft kann dies auch in einem Maggi-Wasser-Gemisch oder mit Hefe als Zusatz geschehen.
Locken mit Duftpräparaten
Wem die Herstellung von Lockfutter zu umständlich erscheint oder die länderrechtlichen Vorschriften den Einsatz von Lockfutter verbieten, für den hält der Fachmarkt spezielle Lockpräparate bereit:
Neben Pheromon-Präparaten und synthetisch hergestellten Düften, die in der Praxis beim Rehwild kaum Beachtung finden und eher dem Händler nutzen, haben sich nur wenige Präparate natürlicher Herkunft als Rehwildlockmittel hervorgetan. Zwei davon sind reines Anisöl von Hagopur (Preis: 17,90 Euro, 100 ml) und Anis Ultra Attra Tec No. 2 von Attratec (Preis: 17,90 Euro, 50 ml). Aufgrund seiner hohen Konzentration werden nur wenige Tropfen benötigt, um den gewünschten Effekt herbeizuführen. Einfach auf Holz oder wegen der längeren Lockwirkung auf ein kleines, am Stamm fixiertes Schwämmchen auftragen – fertig. Neben Anisöl funktioniert auch das Premium-Lockmittel „Rehwild“ von Hagopur (Preis: 29,90 Euro, 500 ml) sehr gut. Das zähflüssige, klare Konzentrat soll aus einem Mix aus Blattknospenextrakten und echtem Naturmoschus bestehen und kann mithilfe der Dosierflasche sauber und sparsam ausgebracht werden. Zahlreiche Ansitze an den Lockstellen sowie die Bilder der Wildkamera zeigten, dass das Rehwild den Lockstoff immer wieder neugierig untersucht. Tipp: Mit Anisöl behandelte Rehfütterungen und Salzlecken werden deutlich schneller vom Wild angenommen. Anisöl eignet sich wegen des intensiven Duftes übrigens auch zum Überdecken der menschlichen Wittrung an der Ansitzstelle.
Magischer Bockshornklee
Der Bockshornklee (Preis: ab 6,50 Euro je Kilogramm) wird in der Literatur auch Griechisches Heu, Ziegenhornklee oder Rehkorn genannt. In der Tiermedizin wird er unter anderem zur Behandlung von eitrigen Wunden und Geschwüren verwendet. Der zu Pulver verarbeitete Bockshornklee wird von einigen Viehhaltern zudem gern dem Futter beigemischt, um die Fresslust der Tiere und deren Wohlbefinden zu steigern. Auch beim Rehwild soll sich der Bockshornklee appetitanregend auswirken, sagen Praktiker (es stellt sich natürlich die Frage des evtl. folgenden Verbissdrucks). Eigenen Beobachtungen zufolge verweilt das Wild deutlich länger in der Nähe der Lockstelle und nimmt geringe Mengen auf.
Das ungewöhnliche Lockmittel kann leicht selbst hergestellt werden. Dafür lässt man die Bockshornkleesamen ein bis zwei Tage im Wasser quellen und kocht die Masse kurz auf. Danach muss alles unter ständigem Rühren so lange vor sich hinköcheln, bis ein zäher Brei entstanden ist. Im Revier wird die Masse in kleinen Bröckchen beispielsweise auf Wurzelstubben ausgelegt. Tipp: Während des Abkühlens gebe ich gern etwas Anisöl oder Zuckersirup (Melasse) hinzu.