Bei einem Besuch in Leipzig hatte ich eine kuriose Begegnung. Dort saßen mitten in der Stadt mehrere adulte Nutrias mit ihrem Nachwuchs am Ufer der Weißen Elster und ließen sich von Rentnern füttern. Schnell wurden mit dem Smartphone ein paar Bilder gemacht und an Jagdkumpel Eike geschickt. Der zeigte sich jedoch wenig beeindruckt und schrieb lapidar zurück, dass er Nutrias zuhauf im Revier eines Bekannten hätte und die Nager dort massiven Schaden an Feldflur, Uferbefestigung und Deichen anrichten. Den Hauptteil seiner Strecke würde er jedoch nicht mit der Falle, sondern mit dem Kleinkaliber machen. Schnell war die Idee eines gemeinsamen Jagdwochenendes geboren. Ich wollte meinen Wachtelrüden „Grimm“ mitnehmen. Irgendwo hatte ich einmal gelesen, dass sich die Wassernager an Land sehr gut vor Hunden stellen würden.
Woher sie kommen
Auch unter den Namen Sumpfbiber oder Biberratte sind die ursprünglich aus dem subtropischen Südamerika stammenden Wassernager bekannt. Erste wild lebende Popula-tionen sind in Deutschland ab 1930 verzeichnet. Dabei handelte es sich vor allem um Tiere, die aus Pelzfarmen entkommen waren. Heute findet man Nutrias in fast allen Bundesländern. Die Vermehrungsrate ist mit drei Würfen zu je sechs bis acht Jungtieren sehr hoch. Die dämmerungsaktiven Tiere ernähren sich überwiegend von Pflanzen, seltener von Schnecken und Muscheln. Zum Problem werden die Wassernager vor allem für die Instandhaltung von Deichanlagen und Entwässerungssystemen. Zusätzlich gehen Nutrias auch auf wassernahen Ackerflächen zu Schaden. Die Jahresstrecken der großen Wassernager steigen sprunghaft an. 2015 wurden in Niedersachsen über 10 000 Nutrias erlegt. Vielerorts gibt es bereits Abschuss- und Fangprämien. So kann sich ein erfolgreicher Jagdtag neben den hochwertigen Pelzen und dem leckeren Wildbret noch richtig „bezahlt machen“. Vor dem kulinarischen Genuss aber bitte die Trichinenbeschau nicht vergessen!
Erster Erfolg
Nach Ankunft bei Eike geht es sofort ins Revier. Es dämmert bereits, als wir an dem kanalisierten Zulauf der Elbe eintreffen. Der Kanal ist aufgrund des Niedrigwassers durchschnittlich nur knietief. Regelmäßig leuchten wir das Wasser, die Ufer und das anschließende Feld ab. Schon nach kurzer Zeit haben wir Kontakt: „Da ist eine, etwa 50 Meter, am anderen Ufer, schwimmt auf uns zu“, kommt es knapp und präzise von Eike. Ich lege sofort die Waffe aufs Dreibein, leuchte bei sechsfacher Vergrößerung wie beschrieben den Wasserlauf ab, finde aber nichts. „Na flach im Wasser. Nur der Kopf schaut raus!“ Tatsächlich, jetzt sehe ich den Wassernager.
Wir lassen ihn noch etwas näher kommen. Der Zielstachel steht knapp unterhalb der Ohren, man zielt also mehr oder weniger ins Wasser. Als die Nutria auf etwa 40 Meter erneut verhofft, lasse ich fliegen. Im Knall wirft es den großen Nager herum. Er wälzt sich einmal platschend an der Oberfläche und liegt dann still. Als der Hund den Nager anlandet, bin ich erstaunt, wie groß und schwer die Beute ist: nahe an zehn Kilo! Wir können insgesamt acht Nutrias auf diese Weise erlegen und beenden dann den Jagdtag. Eine herrlich kurzweilige und spannende Jagd! Morgen früh wollen wir es erneut probieren.

Nutria auf dem Acker
Wir sind bereits vor dem Frühstück zur ersten Runde bereit. Wie ich die Fläche ableuchte, fallen mir ein paar braune Klumpen auf, die vor einem Gehölzstreifen sitzen und nicht so recht ins Bild passen wollen. Eine schnelle Aufnahme mit dem Teleobjektiv bringt Gewissheit: Da sitzen mehrere Nutrias auf dem Acker. Wir sind wie elektrisiert, schnell sind der Hund und die Waffe, diesmal ein alter Suhler Drilling mit .22 Mag. Einstecklauf für mich als Hundeführer und die Howa .223 für Eike geschultert und der Wachtel angeleint. Der hat sofort gemerkt, dass es ernst wird. Wir nähern uns entlang der dichten Hecke. Da es in dem Revier viele Hasen und Rehe gibt, wollen wir den Hund nicht zu früh schnallen.

Immer dem Standlaut nach
Als wir noch etwa 50 Meter von den Nutrias entfernt sind, ziehen die Nager sich in den Gehölzstreifen zurück. Aber der Nase des Hundes entgehen sie nicht. Schnell hat er die Spur aufgenommen. Etwas ungestüm prellt er in einen Reisighaufen vor. Auf der anderen Seite verlässt eines der Tiere den schützenden Unterstand. Doch der Hund ist schneller, packt beherzt zu und schüttelt seine Beute ausgiebig. Er lässt kurz ab, fasst noch einmal nach, um sicherzugehen, dass ihm sein Kontrahent nicht mehr entkommt. Dann läuft er sofort wieder an das Gestrüpp und bewindet ausgiebig mögliche Schlupflöcher. Plötzlich stößt er giftig knurrend vor, schnellt aber sofort wieder zurück. Aus dem Astgewirr ist deutlich lautes Fauchen und Zähneklappern zu hören. Der Wachtel versucht mit schnellen Vorstößen sein Gegenüber zu fassen, doch der hat eine perfekte Verteidigungsposition eingenommen: Tief zwischen dicken Ästen eingeschoben, bleckt er seine großen Nagezähne.

Gegenangriff
Als der Hund versucht, ihn von der Seite zu packen, geht die Nutria zum Gegenangriff über. Der Wachtel weicht noch aus, doch die Zähne des Nagers erwischen ihn am unteren Rand des Behangs. Nach dieser Erfahrung verlegt sich der Rüde darauf, immer wieder die Angriffsrichtung zu wechseln. So kommt er, den Reisighaufen umschlagend, von verschiedenen Seiten. Sein Gegenüber verliert irgendwann die Nerven und sucht sein Heil in der Flucht. Doch er hat die Rechnung ohne mich gemacht. Die kleine Kugel aus dem Einstecklauf des Drillings fasst ihn gut, und nur den Bruchteil einer Sekunde später greift sich der Hund den tödlich Getroffenen, beutelt ihn kurz und lässt dann ab.
Kapitaler Nager
Während Eike und ich noch über den kapitalen Wassernager staunen, hat der Wachtel schon die nächste Spur aufgenommen. Diese führt ihn mitten in die dichte Feldhecke. In dem verfilzten, dornengespickten Gestrüpp hat er die nächste Nutria aufgestöbert. Doch diese schiebt sich rückwärts unter einen Strauch. Der Hund hat keine Chance, an ihn heranzukommen, ohne sich den rasiermesserscharfen Zähnen auszusetzen. Und so stellt er den Nager einfach. Sein tiefer Standlaut ist Musik in meinen Ohren. Wie bei der winterlichen Bewegungsjagd ist es jetzt am Hundeführer, seinem Vierläufer zu helfen. Also tiefste Gangart und langsam an den Kaif heranschieben. Als ich eine gute Schussposition gefunden habe, genieße ich kurz das Bild: Der giftig und sicher stellende Hund, der mit tiefem Bass seinen Meutegenossen Mensch ruft. Nur dass der Opponent diesmal nicht schwarz und borstig ist.
Beachtliche Strecke
Mit einem scharfen „Zurück“ gebe ich dem Hund das Signal, mir ein wenig Platz zu machen. Das ist unser Spiel, das kennt der Hund. Sofort zieht er sich einige Meter zurück und ich kann der Nutria einen sicheren Schuss antragen. Sekunden später stürzt sich der Rüde auf die Beute und beutelt diese laut knurrend. Rückwärts kriechend verlasse ich den Busch. Eike und ich staunen nicht schlecht, als kurze Zeit später der Hund mitsamt dem deutlich über acht Kilo wiegenden Nager im Fang aus der Hecke auftaucht. Stolz nehme ich dem brav apportiernden Stöberer die gemeinsame Beute ab.
Auf diese Weise können wir insgesamt vier Wassernager dingfest machen. So macht Hundearbeit Spaß! Stolz liebel ich den Wachtel ab. Eike und ich sammeln die Beute ein. Jetzt gibt’s erstmal Frühstück. Die abendliche Pirsch bringt noch einmal sieben Wassernager, einen Waschbärn und einen Marderhund, sodass wir auf 19 Nutrias, zwei Waschbären und eben einen Enok kommen. Was für ein Wochenende! Und eins steht fest: Nächsten Januar bei Niedrigwasser gibt es eine Wiederholung!
David Ris
