Wie sieht’s aus ‚Standinse‘? Wollen wir mal wieder auf Krähen raus? Haben wir schon lange nicht mehr gemacht“, sagt Kollege Schätze am Telefon. Da hat er Recht! Ich kann mich schon gar nicht mehr an unser „letztes Mal“ erinnern. „Gute Idee, ist echt ewig her“, antworte ich.
Vorteil von Halbautomaten im Krähenschirm
Seitdem wir beide in Berlin bzw. Sachsen wohnen, dominiert das Schalenwild unser jagdliches Tun. Das bereitet zwar viel Freude, aber die Niederwildjagd, vor allem auf Tauben und Krähen, kommt dadurch zu kurz. Und das geht nicht nur uns so. „Hier bei mir, jagt kaum einer gezielt auf Krähen. Die Besätze sind viel zu hoch“, weiß der Chef zu berichten. Ich packe in freudiger Erwartung meine Sauer SL5 sowie die bleifreien Schrote S & B Steel Shot Magnum ein. Letztere fallen mit gut 3,5 mm ein wenig grober aus, als dies bei bleihaltiger Munition der Fall wäre (z.B. 2,75 mm). Das erhöht aber die Durchschlagskraft der Stahlschrote. Um die Deckung bzw. die Anzahl der im Becher enthaltenen Schrote dadurch nicht zu sehr zu verringern, kommt die Magnum-Variante in 12/76 mit 39 Gramm Vorlage und 1.050 Bar zum Einsatz. Da die Selbstladeflinte einen Teil des Rückstoßes absorbiert, kommt davon kaum was an der Schulter an. Apropos Selbstladeflinte: Ich bevorzuge aufgrund der Optik eher Bock- oder Querflinten. Im Krähenschirm lassen sich Halbautomaten aber deutlich leichter nachladen, da diese nicht gebrochen werden müssen. Außerdem verfügt der Schütze über drei Schuss, wobei die Trefferquote „hinten raus“ in der Regel nicht besser wird, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Der Holzschaft der SL5 verleiht der Waffe eine angenehm jagdliche Optik.
Saubere Attrappen sollst Du benutzen
Diese Packerei vor einer Jagd kann einem wirklich den letzten Nerv rauben, vor allem, wenn man das Zeug schon lange nicht mehr benutzt hat. Beim Blick in der Sack voller Lockkrähen trifft mich fast der Schlag. Ein „Ach du Sch…!“ lässt sich nicht verkneifen, denn die beflockten Attrappen sind allesamt dreckig ohne Ende. Das ist schlecht, denn Krähen stochern zwar gern im Dreck, ihr Gefieder ist aber immer sehr gepflegt. Nach einer Grundreinigung mit einer weichen Bürste und lauwarmem Wasser sehen sie schon wieder ganz vernünftig aus.
Mit vollem Auto und Hund im Gepäck, geht es nach Sachsen. Als ich um 22 Uhr dort eintreffe, wartet Christian schon. „Wo bleibst Du denn? Die Nacht ist spätestens um 4 Uhr vorbei. Wir dürfen nicht wieder den Fehler machen und im Halbdunklen aufbauen. Im ersten Licht muss alles stehen“, sagt der erfahrene Lockjäger. Recht hat er, denn der Aufbau des Lockbildes und des Schirmes dauert in der Regel länger als gedacht. Deshalb lieber ein wenig Puffer einplanen! Also Auto packen und ab ins Bett.
Bunte Patronenschachteln müssen in den Rucksack
Nächsten Morgen beziehen wir im Stockfinsteren unseren Schirm, den wir aus dünnen Tarngardinen und einem Tarnnetz errichtet haben. Der untere Teil ist blickdicht, während oben die teilweise durchsichtige Tarngardine für Jägersicht sorgt. Wichtig ist, dass der Schirm nicht zu groß ist, denn dann können die Krähen leicht von oben hineinäugen. Bunte Patronenschachteln oder Ähnliches müssen im Rucksack verschwinden. Auch das Auto hat in der Nähe nichts verloren. Krähen können sehr argwöhnisch sein.

Fraßstellen und Flugrouten erkunden
Der Platz ist absichtlich gewählt, denn Christian hatte beim gestrigen Bestätigen vormittags auf dem gegrubberten Weizenschlag vor uns zahlreiche Krähen entdeckt. Jetzt heißt es abwarten und vor allem Standruhe bewahren. Das gilt auch für Wachtelhündin „Sitka“, die sich brav ablegt und der Dinge harrt, die da hoffentlich kommen. „Da hinten rufen schon die ersten. Gleich geht’s los“, sagt mein Begleiter. Allmählich gewinnt das Tageslicht die Oberhand. Aus Schwarz wird Grau. Eine Bewegung rechts oben lässt uns zusammenfahren. Krähe! „Jetzt“, sage ich zu Christian. Gemeinsam erheben wir uns vorsichtig und schießen fast gleichzeitig. Wie ein Handschuh fällt unsere Beute bereits verendet vom Himmel. „Das fängt ja gut an“, frohlockt mein Mitjäger. Als nach drei Stunden lediglich drei Krähen im Schirm liegen, hat die Frustration die Zuversicht aufgefressen. Auf dem Heimweg entdecken wir 300 m weiter einen frischen Misthaufen und etwa 50 Krähen. Klarer Fall: Zur falschen Zeit am falschen Ort! Auch das ist Jagd.