Rassehunde: Welche Vorfahren stecken tatsächlich im Hund?

Obwohl als reinrassig erworben, passt die Hündin unseres Wildbiologen nicht ganz ins Schema eines waschechten Deutsch-Drahthaar. Zeit auf Spurensuche in ihrem Erbgut zu gehen.
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20. Juni 2023
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Die kleine Bürste ist zuhause alles was für den Test benötigt wird. Die Analyse erfolgt dann im Labor.
Die kleine Bürste ist zuhause alles was für den Test benötigt wird. Die Analyse erfolgt dann im Labor.

Meine Drahthaarhündin ist kurz im Haar, und ihr Bart ist eher unauffällig. Ich persönlich mag diesen Schlag und hab ihn mir bewusst ausgewählt. Wenn man sich die Hündin aber länger betrachtet, ist es nicht abwegig auf die Idee zu kommen, dass sich in ihre Ahnenlinie auch mal ein Kurzhaar verirrt haben könnte. Mit diesen Gedanken im Sinn begebe ich mich auf Spurensuche. Mit den heutigen genetischen Methoden sollte man doch in der Lage sein, ihre Herkunft auch generationsübergreifend nachzuvollziehen.Schnell ist ein entsprechendes Labor ausfindig gemacht, das sich bereitwillig meiner Fragestellung annimmt.

Auf Spurensuche in den Genen

Wenige Tage später erhalte ich ein Probekitt und mache einen Schleimhautabstrich, der in einem Kuvert zurückgesandt wird. Im Labor wird aus den Schleimhautzellen DNS isoliert. Diese wird dann vervielfältigt. Anschließend werden nun bestimmte Teile der Erbsubstanz genauer untersucht. So genannte Snips geben Aufschluss über die genetische Herkunft und Verwandtschaftsverhältnisse eines Individuums.

Im Gegensatz zu anderen genetischen Untersuchungsmethoden werden dabei lediglich einzelne Nukleotide untersucht. Diese DNS-Bausteine bestehen aus einem Zucker- und einem Phosphatanteil sowie einer Base. Insgesamt existieren vier verschiedene Basen, die gegeneinander ausgetauscht werden können und damit zu kleinen Veränderungen des genetischen Codes führen. Das Maß an Veränderungen zu Vergleichsindividuen wird dann dazu genutzt, um Verwandtschaftsverhältnisse abzuleiten. Auf dieser Grundlage ließe sich also auch feststellen, wie viele Anteile „fremden Erbguts“ meine Hündin tatsächlich in sich trägt. Gekauft habe ich sie selbstverständlich als reinrassig.

Wie sich Merkmale vererben

Besonders relevant sind die Verhältnisse bei Mischlingshunden, da bei ihnen die genauen Anteile der einzelnen Rassen, die sich in ihnen vereint haben, berechnet werden können. Mischlinge sind auch deshalb interessant, weil an ihnen gewisse Vererbungsregeln verdeutlicht werden können. Treffen beispielsweise ein kurzhaariges und ein langhaariges Elterntier aufeinander, wird sich in der Regel die Kurzhaarigkeit durchsetzen, da sie dominant vererbt wird. Vergleichbares gilt auch für einen etwaigen Sattelfleck. Mischlingshunde, bei denen sich ein Schäferhund in der Ahnenliste finden lässt, verfügen zumeist auch über einen solchen – auch er ist dominant. Hängeohren werden demgegenüber rezessiv vererbt. Trift also ein Elternteil mit Hängeohren auf einen mit aufrechten Ohren/Behängen, werden die Welpen in der Regel auch stehende Ohren haben.

Merkmale wie der „Sattelfleck“ bei Schäferhunden werden auch bei Mischlingen weitervererbt.
Merkmale wie der „Sattelfleck“ bei Schäferhunden werden auch bei Mischlingen weitervererbt.

Tiefere Einblicke in mögliche Defekte

Überaus interessant sind genetische Untersuchungen auch deshalb, weil es auf der Individuenebene möglich ist, etwaige Erbkrankheiten zu identifizieren. Ein aus jagdkynologischer Sicht prominentes Beispiel, ist die so genannte Linsenluxation bei Jagdterriern. Die Linse des Auges wird durch Aufhängebänder gehalten, die bei starker mechanischer Beanspruchung reißen können. Es existiert diesbezüglich aber auch eine erbliche Disposition, daran zu erkranken. Diese Erkrankung kann im schlimmsten Fall zur späteren Erblindung des Hundes führen. Die Veranlagung dazu ließe sich sehr früh im Genom feststellen. Also, zu einem Zeitpunkt, wo die Krankheit den Hund noch gar nicht beeinträchtigt.

Die Gene erklären die Symptome

Ein weiteres Beispiel für eine Erbkrankheit, die in verschiedenen Jagdhunderassen zu finden ist, ist EIC (Exercise Induced Collapse). Zu finden bei Retrievern, Spanielrassen, aber auch Deutsch Drahthaar und bei den Vizslern. Bei der Erkrankung handelt sich um eine Art Belastungsintoleranz scheinbar gesunder Hunde. Symptome zeigen sich, bevor sie das 2. Lebensjahr erreichen. Die Hunde sind bei geringer bis moderater Belastung unauffällig. Bei anstrengenden Aktivitäten von 5-20 Minuten entwickeln sie einen wankenden, unkoordinierten Gang, der in den meisten Fällen nur die Hinterläufe betrifft. Die Hunde bleiben während dieser Schwächephase bei Bewusstsein und es ist davon auszugehen, dass sie keine Schmerzen erleiden. Bei einer schweren Ausprägung der Erkrankung kann es zu einer Ganzkörperschwäche, Verwirrtheit, einem Bewusstseinsverlust, Anfällen oder sogar zum Tod kommen. Die Anfälle dauern typischerweise zwischen 5-10 Minuten und nach 15-30 Minuten erholen sich die Hunde in der Regel wieder vollständig.

Für diesen Jack Russel ist die Jagd vorbei. Eventuell hätte seine Veranlagung für Linsenluxation früher erkannt werden können.
Für diesen Jack Russel ist die Jagd vorbei. Eventuell hätte seine Veranlagung für Linsenluxation früher erkannt werden können.

Genanalytische Verfahren ermöglichen aber auch wichtige Hinweise bezüglich der Wahl von Zuchthunden und potentiellen Verpaarungen. Denn mit Hilfe moderner genetischer Verfahren lassen sich die Ahnenlinien eines Tieres über mehrere Generationen zurückverfolgen. Kam es dabei zu Paarungen zwischen Tieren mit erhöhtem Verwandtschaftsgrad, führt dies zu einem gesteigerten Inzuchtkoeffizienten. Einen ähnlichen Aussagewert hat auch der Homozygotiegrad. Denn dieser gibt an, wie viele genetische Marker eines Tieres identisch sind. Auch diesbezüglich lasse ich meine Hündin überprüfen.

Homozygotie-Profil: So reinrassig ist der Hund

Das Ergebnis der Tests liegt mir drei Wochen später vor. Bezüglich der Homozygotie erfahre ich, dass reinrassige Hunde im Vergleich zu Mischlingshunden generell einen höheren Grad an gleichen Markern aufweisen. Jede Rasse hat eine bestimmte Bandbreite des Homozygotie-Grades. Der Wert von „Imba“ befindet sich laut Analyse genau im Bereich von zahlreichen anderen reinrassigen Hunden dieser Rasse. Insbesondere enge Züchtungen können eine Rasse aber auch in einen genetische Flaschenhals führen. Unzureichende genetische Variabilität können größere Defekte zur Folge haben. Im schlimmsten Falle gerät eine Spezies oder Rasse in den „Aussterbestrudel“ und verschwindet. In einer aktuellen Studie wurden in diesem Zusammenhang herausgefunden, dass der Inzuchtgrad bei vielen Hunderassen sehr hoch ist (Banasch et al. 2021). Im Durchschnitt lag dieser bei 25 Prozent, was der rechnerischen Übereinstimmung zwischen Geschwistern entspricht. Zum Vergleich steigt die Gefahr von Krankheiten beim Menschen bei Werten zwischen 3-6 Prozent an. Spannend wird es hinsichtlich meiner Vermutung, ob tatsächlich Kurzhaar-Ahnen nachweisbar waren.

17 Mio. Berechnungen, ein Ergebnis

Die Analysesoftware führte über 17 Millionen Berechnungen mit 11 verschiedenen Modellen durch. Angefangen von einer einzelnen Rasse bis hin zu komplexen Kombinationen von unterschiedlichsten Rassen, wurden so die wahrscheinlichste Kombination anhand der genetischen DNS-Marker ermittelt.

Das Ergebnis überrascht, denn ich scheine mich gründlich getäuscht zu haben. In Imbas Ahnenliste lässt sich im Labor nur Drathaarblut nachweisen. Bis zu den Urgroßeltern können entsprechende Aussagen getroffen werden. Nirgendwo auch nur ein Kurzhaar bei meiner speziellen kurzhaarigen Hündin …

MIt diesem Test gibt es garantiert einen Bart

Um präzise Details über die genetischen Voraussetzungen eines Hundes bezüglich seiner Behaarung (einschließlich des Bartes) herauszufinden, besteht die Möglichkeit, einen speziellen Test anzuwenden. Es handelt sich dabei um die Testung auf das RSPO2 Gen, das für die Rauhhaarigkeit eines Hundes verantwortlich ist. Rauhes Haar wird dominant vererbt, zeigt aber in heterozygoter Form eine weniger starke Ausprägung. Für die Zucht ist dies insofern von Relevanz, da Hunde auf dieser Grundlage gezielt so verpaart werden können, dass keine „bartlosen“ Vertreter geboren werden.

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