Niedersächsische Hundeverordnung: Jagdhundeausbildung unmöglich?

Neue Tierschutz-Hundeverordnung: Ist eine Jagdhundeausbildung im Sinne des Tierschutzes nur noch bedingt möglich bzw. unmöglich?
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03. Juni 2023
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Förderung der Sozialkontakte verhindert Fehlverhalten unter Hunden.
Förderung der Sozialkontakte verhindert Fehlverhalten unter Hunden.

Die bestehende Hundeverordnung ist nicht tierschutzgerecht. Solche Verordnungen können nur dann zu Stande kommen, wenn Personen über diese Maßnahmen entscheiden, die sich nicht im praxisbezogenen Leistungsbereich bewegen, also von der Gebrauchshundeausbildung keine fachlich haltbaren Kenntnisse besitzen. Gerade die bestehenden Verordnungen müssen teilweise als tierschutzwidrig betrachtet werden, da sie in den vorgeschlagenen alternativen Bereichen Tierqualen auslösen können.

Grundlage für jede Ausbildung eines Hundes sollte eine sachliche und nachweisbare Verhaltensforschung sein. Das ist meiner Meinung nach nicht der Fall. Die Fachliteratur weist bezüglich der Hundeausbildung weder auf den Unterschied der einzelnen Rassen und ihre Anlagen noch auf ihre unterschiedlichen Konditionierungsgebiete hin. Eindeutige Untersuchungen vom Reaktionsverhalten in Reizsituationen sind meines Wissens nicht vorhanden. Pauschal wird abgehandelt, dass Einwirkungen mit folgenden Hilfsmitteln auf den Hund tierschutzwidrig sind: Stachelhalsbänder, Würgehalsbänder ohne Zug-Stopp (Endloswürger), Erziehungsgeschirre mit Zugwirkungen unter den Achselhöhlen, Elektroreizgeräte (z.B. Reizhalsbänder/ Teletakt, unsichtbare Zäune), Bell-Stopp-Geräte (elektrische, chemische, geräuscherzeugende und luftstoßerzeugende Geräte), Sprühhalsbänder mit Duftstoffen oder das „Halti“.

Fehlende Autorität fördert oft Aggressionsverhalten.
Fehlende Autorität fördert oft Aggressionsverhalten.

Negativer Stress ist wichtig für Arbeit und Entwicklung

Eine Ausbildung ohne Stress ist in der Praxis nicht möglich. Positiver und negativer Stress ist für jeden Hund erforderlich, um ein stabiles Charakterbild entwickeln zu können. Positiver Stress (Eustress) wird durch Erfolge wie z. B. beim Finden von Wild, nach der Suche oder bei der Schweißarbeit, wenn nach der Arbeit das Stück gefunden wird, gefördert. Bei negativem Stress (Distress) wird der Adrenalinspiegel über einen kurzen Zeitraum auf ein erhöhtes Level gebracht. Dieses Level darf nicht lange ausgeübt werden, hilft dem Vierläufer aber, mit Distress umzugehen und verhindert oft den „Zusammenbruch“, wenn erhöhte Level in Stresssituationen auftreten. Ausschließlich positive Konditionierung fördert Fehlverhalten am Wild und in Reizsituationen, das ist belegt.Luftstöße, Halsbänder mit integrierter Pfeife, Vibrationshalsbänder und andere auf dem Markt befindliche Ausbildungshilfsmittel sind verboten. Sie sollen dem Hund extremen Stress bereiten. Meiner Meinung nach unterliegt ein Hund viel größerem Stress, wenn er dick und rund an der Flexileine durch die Straßen zieht.

Nur positive Konditionierung reicht nicht

Wie aber sollte ein Gebrauchshund gemäß der Hundeverordnung gearbeitet werden? Hierzu gibt es in der Fachliteratur Pauschalabhandlungen, wie z. B. die Konditionierung mit dem Clicker und die lange Schleppleine oder aber die Triebumlenkung durch Gegenstände oder Futter, der spielerische Dummyapport usw. Diese positiven Konditionierungsvorschläge sind zum Erlernen verschiedener Handlungsbereiche durchaus richtig und sinnvoll, für die praktische Umsetzung in starken Reizsituationen, denen beispielsweise Jagdgebrauchs-, Polizei- oder Zollhunde unterliegen – also alles Hunde, von denen eine gewisse Art von Zuverlässigkeit abverlangt werden muss –, jedoch teilweise unbrauchbar. Hier überlagert der Außenreiz den Innenreiz.

Gehorsam bei Jagdhunden ist auch im Straßenverkehr wichtig.
Gehorsam bei Jagdhunden ist auch im Straßenverkehr wichtig.

Ausschließlich positive Konditionierung reicht vor allem dann nicht aus, wenn es sich um jagdliche Arbeiten wie Hetzen am Wild oder Blockaden im Aggressionstrieb handelt. Mit Sicherheit haben Wissenschaftler viel dazu beigetragen, dass sich veraltete Meinungen und Methoden in der Hundeausbildung positiv verändern. Es nutzt aber weder dem Hund, der Jagd, noch dem Tierschutz, undurchdachte oder unterschiedliche Verordnungen zu erlassen, wenn dadurch Leid und Qual bei anderen Tieren gefördert wird. So bringt beispielsweise das spielerische Üben mit dem Dummy zum Apportieren den Hund nicht dazu, zuverlässig Wild zu apportieren, denn er sieht diese Arbeit als Spiel an. Dies wiederum führt häufig zu Knautschen, Anschneiden usw. Seine Unzuverlässigkeit würde das Leiden des verletzten Wildes erhöhen.

Negative Reize dosiert einsetzen

Im Gebrauchshundebereich eingesetzte Vierläufer werden explizit auf hochwertige Triebanlagen gezüchtet. Sie sollen (auf-)stöbern, suchen, bringen und dieses bitte zuverlässig. Wenn triebhaft veranlagte Hunde Wild aufmachen, werden weder Clicker noch Leckerchen sie davon abhalten, dem Wild zu folgen. Bei verantwortungsbewusstem Einsatz von Hilfsmitteln wie bspw. entschärften Korallenhalsbändern mit Gumminoppen oder Halsbändern ohne Stopp, konnten diese in der Vergangenheit bei der Ausbildung von extrem triebstarken Hunden – wenn keine alternativen Hilfsmittel und Konditionierungen den Hund positiv beeinflussen konnten – erfolgreich angewandt werden. Dem Hundeführer wurde durch diese Hilfsmittel mehr Möglichkeiten eingeräumt, den Hund umzukonditionieren.

Zwang ist oft unvermeidbar, um Zuverlässigkeit zu erreichen.
Zwang ist oft unvermeidbar, um Zuverlässigkeit zu erreichen.

Insbesondere bei Hunden, die zu starkem Hetz-, Aggressions- oder Hyperaktivitätsverhalten neigen. Die Anwendung ist zeitlich kurz, schonend und erfolgversprechend. Das Lernverhalten ist dauerhaft. Für eine zuverlässige Impulskontrolle in alltäglichen Situationen von Jagdhunden, die häufig Reizen wie flüchtendem Wild etc. ausgesetzt sind, sind die empfohlenen Maßnahmen der Hundeverordnung allein nicht dienlich.

Die Alternative bei Hunden mit starkem Fehlverhalten wie Wildern, Aggressionen etc. wäre angeordneter lebenslanger Leinen- und Maulkorbzwang. Aus meiner Sicht bedeutet also die tierschutzrechtliche Alternative Dauerstress durch Bewegungsarmut und Maulkorb, was zur Einschränkung der Gesundheit und Mimik führt. Und das anstelle einer kurzen Zwangskonditionierung.

Jagdhunde müssen zuverlässig sein

Ich habe als Jäger die Verantwortung, meinen Jagdhund zu einem zuverlässigen vierläufigen Begleiter auszubilden, der nicht ungewollt gesundes Wild hetzt und damit sich und andere auf der Straße gefährdet, aber beispielsweise angeschossenes Schwarzwild verfolgt und stellt, um es von Schmerzen erlösen zu können. Ohne einen gewissen Zwang in der Jagdhundeausbildung ist dies nicht möglich. Zwang ist nicht bedeutungsgleich mit Misshandlung oder Qual. Nach über 40 Jahren erfolgreicher Hundearbeit lehne ich unbegründete Härte bei einem Hund generell ab, wenn sie dazu führt, dass Hunde durch zu viel Zwang ängstlich und verstört werden. Personen, die dies tun, sind keine Hundeliebhaber oder -ausbilder. Sogar die Zwangsausführung ist in der Praxis von Hund zu Hund unterschiedlich, da sie grundsätzlich auf Typ, Verhalten und Lernphase zugeschnitten werden muss. Ich halte die Tierschutzhundeverordnung aus den beschriebenen Gründen teilweise für Tierquälerei, denn wenn ich Jagdhunde gänzlich ohne körperlichen Zwang, sogar ohne verbalen Zwang, ausbilden muss, ist dies nachweislich nicht möglich. Der Hund ist deshalb nicht mehr einsetzbar. Durch das unsachliche Arbeiten können beim Hund wie beim Wild Schmerzen, Leiden und körperliche Schäden entstehen. Dies ist aus meiner Sicht ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.

Jagdhundeausbilder versuchen, die neue Hundeverordnung zu befolgen und weisen darauf hin, dass deshalb der Erfolg nur begrenzt vorhanden sein kann. Schon heute sehen wir auf den Jagden unkontrollierbare Hunde, vermehrt Anschneider, Knautscher oder Totvergräber, aber auch Jagdhunde, die nicht mehr vom gesunden Wild abgerufen werden können. Das kann und darf nicht der Sinn des Tierschutzgedankens sein.

Das Gegenteil heraufbeschworen

Kein/e verantwortungsbewusste/ r Ausbilder/in wird einen Hund quälen oder misshandeln, denn das würde zu Verhaltensstörungen führen und das Ausbildungsziel gefährden. Stressbewältigung ist für einen Hund lebenswichtig, zum Teil ist Zwang in einer Ausbildung erforderlich, um Harmonie zu schaffen und einen Hund vor täglichen Gefahren zu schützen. Das sollte auch Sinn der Hundeverordnung sein. Die z. Zt. bestehende Hundeverordnung mit genereller zwang- und stressfreier Ausbildung für alle Hunde führt teilweise zum genauen Gegenteil. Hunde entwickeln sich negativ, wenn ausschließlich mit positiver Konditionierung gearbeitet wird. Sie können zum Teil stark verunsichert, hyperaktiv oder auch aggressiv werden.

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