Debatte ums Kupieren: „Hunde sind keine Experimentierkästen!“

Steht das Kupieren auf dem Spiel? Ein Vorstoß der Politik weckt diesen Anschein. In einem Interview hat sich der Jagdgebrauchshundverband dazu geäußert.
Ob es in Zukunft noch solche Hunde zu sehen gibt? Aktuell wird darüber debattiert, ob das die Einzelfallregelung beim Kupieren wegfallen soll.
Ob es in Zukunft noch solche Hunde zu sehen gibt? Aktuell wird darüber debattiert, ob das die Einzelfallregelung beim Kupieren wegfallen soll.

So wie es aussieht, soll die im Tierschutzgesetz derzeit bestehende Erlaubnis, Jagdhunde im Einzelfall kupieren zu dürfen, bei der geplanten Neufassung des Gesetzes ersatzlos entfallen. Das sind zumindest die Pläne des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Dazu hat Karl Walch, Präsident des Jagdgebrauchshundverbandes (JGHV), seine Position dargelegt.

PIRSCH: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) möchte das Kupieren von Jagdhunden wieder verbieten beziehungsweise die Ausnahme vom Verbot zurücknehmen. Können Sie uns die derzeitige Rechtslage schildern?

Karl Walch: Es ist nicht so, dass das BMEL die Genehmigung zurücknehmen will. Grundsätzlich ist das Kupieren von Hunden in Deutschland verboten. Aber das Wort „grundsätzlich“ zeigt uns ja auf, dass es auch von diesen Dingen durchaus Abweichungen geben kann. So haben wir in Deutschland derzeit eine Einzelfallregelung, die uns das Kupieren bestimmter Rassen unter bestimmten Voraussetzungen gestattet. Der Gesetzgeber möchte diese Einzelfallerlaubnis kippen. Dagegen versuchen wir uns als Fachverband für das Jagdhundewesen derzeit mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu wehren.

PIRSCH: Sie haben gerade gesagt, dass bestimmte Hunderassen unter bestimmten Voraussetzungen kupiert werden dürfen. Welche wären das?

Karl Walch: Ich möchte die Rassen jetzt nicht vollständig aufzählen. Uns ist es wichtig, dass für unseren Jagdbetrieb und die verschiedenen Revierverhältnisse das gesamte Portfolio der uns zur Verfügung stehenden Rassen in Gänze erhalten bleibt, so dass wir auch in Zukunft mit Hunden jagen können, die uns nicht in der Saison immer wieder verletzungsbedingt ausfallen.

PIRSCH: Warum dürfen diese Hunde kupiert werden und andere nicht? Also, wo wird eine Linie gezogen und welche Begründung liegt dieser zugrunde?

Karl Walch: Es geht dabei nicht um irgendwelche ästhetischen Gesichtspunkte. Es geht darum, dass wir aus der Erfahrung, der JGHV wird im nächsten Jahr 125 Jahre alt, wissen, dass bestimmte Rassen – wenn sie denn unkupiert wären – sich regelmäßig im schweren Gelände die Ruten wundschlagen würden. Das geht an keinem Hund und an keinem Jäger spurlos vorbei, aber das sollte auch nicht an unserer Politik spurlos vorbeigehen. Der Klimawandel findet allerorten statt und eben nicht nur irgendwo auf dieser Welt, sondern auch in unseren Wäldern. Das bedeutet, dass wir auf diesen Flächen jagen müssen. Dies können Sie nicht mit Treibern und anderen netten Personen, sondern dazu brauchen Sie die geeigneten Hunde. Jagdgebrauchshunde müssen über die Saison hinweg fit sein. Dazu gehört eine vernünftige Ernährung, dazu gehört körperliche Fitness und dazu gehört natürlich auch die Gesundheit, was in diesem Fall die Rute betrifft. Eine Rutenverletzung ist eine sehr langwierige und vor allem schmerzhafte Angelegenheit. Ihr Heilungsprozess ist im Minimum mit fünf bis sechs Wochen anzusetzen. Die Bewegungsjagdsaison geht im Schnitt von Mitte Oktober bis Mitte Januar. Wenn Hunde da für fünf bis sechs Wochen ausfallen, dann haben wir nicht genügend Hunde, um diese Dinge jagdlich in den Griff zu kriegen. Es geht also weniger um die Frage „Wie lange ist das Schwänzchen?“, sondern es geht um die Frage „Können wir als Jäger mit den vierbeinigen Jagdhelfern überhaupt unserem Auftrag nachkommen?“

PIRSCH: Es geht ja offensichtlich nicht nur um die äußerlichen Verletzungen der Rute, sondern es können auch Entzündungen auftreten. Wie sehen Sie das?

Karl Walch: Die Rute ist Teil der Wirbelsäule. Wir haben teils aufsteigende Entzündungen im Wirbelkanal. Wir haben eine ganze Reihe von Beispielen, in denen entzündete Ruten scheibchenweise abgeschnitten werden mussten, bis am Schluss nur noch ein kleiner Stummel übrigbleibt. Das kann nicht sinnvoll sein. Wenn wir einem Welpen mit drei bis vier Tagen durch einen tierärztlichen Eingriff unter örtlicher Betäubung einen Teil der Rute amputieren, dann amputieren wir nicht, wie manche meinen, die ganze Rute. Der Tierarzt kürzt ein Viertel oder ein Drittel der Gesamtrute. Es bleibt ein erheblicher Teil der Rute am Hund. So ist es auch möglich, dass der Hund sich innerartlich durch Rutenwedeln und Ähnliches verständigt.

PIRSCH: Gibt es denn eine wissenschaftliche Grundlage, die eine prophylaktische Wirkung einer frühen Kupierung bestätigt, oder andersrum gefragt: Gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die die Notwendigkeit des Kupierens untermauern?

Karl Walch: Ich erlebe das derzeit immer wieder bei den Menschen, die uns dazu befragen: „Habt ihr da keine Daten?“ Aber das ist relativ einfach: Der JGHV hat nächstes Jahr 125-jähriges Jubiläum. Unsere Rassen gibt es teilweise schon deutlich länger. Weil man im Jagdgebrauch erkannt hat, dass Kupieren hilft, können sie an gekürzten Ruten keine Verletzungen feststellen. Wo nichts ist, können keine Schmerzen auftreten. Aber umgekehrt haben wir natürlich sehr wohl Untersuchungen, die belegen, dass bei unkupierten Hunden, die im Jagdbetrieb geführt werden, in hohem Maße Rutenverletzungen auftreten. Eine jüngere Studie ist an der Uni Glasgow gemacht worden. Die schottische Regierung hatte im Vorfeld das Kupieren von Ruten verboten. Dann ist passiert, womit man eigentlich hätte rechnen müssen: Über 50 Prozent der zum Stöbern eingesetzten Hunde haben schwerste Rutenverletzungen gehabt. Allein bei den apportierenden Rassen waren um die 20 Prozent an der Rute verletzt. Daraufhin hat die schottische Regierung aufgrund dieser aktuellen Studie gesagt: „O. k. das sind Argumente, die ganz klar dafür sprechen das Kupieren wieder zu erlauben“. In Folge wurde das Kupierverbot in Schottland wieder zurückgenommen. Wir müssen aufpassen, dass wir in der derzeitigen Verbotskultur unserer Politik nicht auf einmal anfangen, Dinge auf den Kopf zu stellen, die wir dann nachher mühsam wieder einfangen müssen. Unsere Hunde sind keine Experimentierkästen und wir Hundeführer werden auch nicht tatenlos zuschauen, wie wir unsere Hunde in den Einsatz bringen und danach regelmäßig aufgeschlagene und wunde Ruten haben. Das geht nicht! Und: Wie wollen Sie die vor uns stehenden Aufgaben – etwa den Waldumbau – stemmen, wie wollen Sie, um das salopp zu sagen, „die Bude rocken“, wenn Sie nur mit einer Rumpfmannschaft arbeiten können? Wir brauchen das komplette Portfolio unsere ganzen Rassen!

PIRSCH: Wie sind denn die Stimmen aus den Partnerverbänden des JGHV im europäischen Ausland, wo das Kupieren derzeit auch verboten ist?

Karl Walch: Wo Sie hinschauen, ist die Aufregung um das Kupieren groß. Wir haben Länder wie Österreich oder die Schweiz, wo es verboten ist. Aber in diesen Ländern gibt es ganz unterschiedliche Jagdvoraussetzungen. In der Schweiz beispielsweise wird die Bewegungsjagd, wie sie bei uns in weiten Teilen des Landes durchgeführt wird, ganz anders praktiziert. Im Referentenentwurf sind unter anderem Länder aufgeführt, die Bewegungjagden, wie wir sie haben, überhaupt nicht praktizieren.

PIRSCH: Wie wird es in dieser Sache denn jetzt weitergehen? Es gibt ja den Referentenentwurf. Plant der JGHV Maßnahmen, um dem zu begegnen?

Karl Walch: Wir haben mit unserem Tierschutzbeauftragten Prof. Dr. Kaup schon weit im Vorfeld versucht, dagegen zu halten. Aber wir alle sehen und erleben in diesen Tagen die politische Situation, die natürlich auch auf die Jagd Auswirkungen hat. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass die Macht der Argumente greift – da werden wir zwar regelmäßig eines Besseren belehrt – aber uns bleibt als guten Demokraten natürlich auch nicht viel anderes übrig, als auf der sachlichen Ebene zu agieren. Deswegen werden wir nicht ruhen, diese Dinge bei der Politik und Verwaltung entsprechend nach vorne zu bringen. Wir haben 2021 auf dem Verbandstag in Verden an der Aller eine Resolution zum Thema „Ruten kupieren“ verabschiedet. In dieser Resolution sind alle Details nochmal zusammengefasst – übrigens viel genauer als vom Gesetzgeber gefordert.

PIRSCH: Wie wird denn eigentlich kupiert?

Karl Walch: Dieser Vorgang wird von einem Tierarzt durchgeführt, nachdem er ihn für unbedenklich hält. Nach unserem Positionspapier liegt zu diesem Zeitpunkt vom entsprechenden Rasse-Zuchtverband die Bescheinigung vor, dass es sich um einen Hund aus jagdlicher Leistungszucht handelt, zweitens muss bestätigt sein, dass dieser Welpe nur in Jägerhand abgegeben wird. Unter örtlicher Betäubung wird dann ein kleiner Teil der Rute mit einem kleinen Schnitt abgenommen. Dann bildet sich an dieser Stelle ein Narbengewebe, Haare wachsen wieder drüber und Sie sehen dann an dieser Stelle später nichts.

PIRSCH: Bekannt sind auch Verletzungen durch andere Tiere an der Rute des Hundes – was ist da dran?

Karl Walch: Immer, wenn etwas am Hund absteht, kann da irgendwer reinbeißen. Aber das ist kein Argument dafür, Dinge abzuschneiden, denn dann sagt einer, die Behänge stehen ab und es wird dort „rumgespielt“. Wir müssen das machen, was vernünftig ist und können nicht nach allen Mücken schlagen. Wir machen das, was sinnvoll ist – und nur das, was wirklich notwendig ist.

PIRSCH: Welche Begründung legt das Ministerium seinem Plan zugrunde?

Karl Walch: In erster Linie wird die Begründung angeführt, dass ein Hund mit kupierter Rute im innerartlichen Ausdrucksverhalten gelähmt wird. Das Argument ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht an den Haaren, sondern an der Rute herbeigezogen. Es ist schon sehr plump solche Dinge zu postulieren, denn ein Hund hat noch ganz andere Möglichkeiten zum Kommunizieren. Denken sie an die aufgestellten Haare, denken Sie an das Knurren, denken Sie an aufgestellte Behänge. Da gibt es so viele Möglichkeiten, wie ein Hund dem Gegenüber klarmachen kann, was er von ihm hält und nochmal: Es wird nur ein Viertel bis ein Drittel der Rute entfernt.

PIRSCH: Ist der JGHV im Vorfeld bereits an die zuständigen Entscheider auf politischer Ebene herangetreten, um eine solche Gesetzesänderung zu verhindern?

Karl Walch: Wir haben uns im Vorfeld mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dagegen gewandt und werden das auch weiterhin tun. Aber deshalb ärgert es uns ja auch saumäßig, dass man – obwohl man sich mit Fachverbänden über das Thema austauscht – danach aus ideologischen Gründen einfach solche Vorhaben angeht. Das ist sachlich wie fachlich nicht zu begründen.

PIRSCH: Welche Daten hat der JGHV denn über die letzten Jahre gesammelt, die er in dieser emotionalen Debatte als sachliche Argumente vorlegen kann?

Karl Walch: Wir haben beispielsweise bei unseren Zuchtverbänden, die kupieren, in den letzten Jahren erhoben, wieviel Prozent der Hunde dort kupiert wurden. Das ist von Verband zu Verband unterschiedlich. Das Kupieren ist nicht Teil des Rassestandards aller Rassen und wird faktisch als Einzelfalllösung praktiziert.

PIRSCH: Hat der JGHV den Rassezuchtverbänden ein Musterpositions-Schreiben zur Verfügung gestellt?

Karl Walch: Wir haben unseren Landes- und allen Zuchtverbänden ein Schreiben von mir und eine Stellungnahme unseres Tierschutzbeauftragten zur Verfügung gestellt. Wir haben unsere Zuchtverbände aufgefordert, in ihren Gruppen, aber auch bei ihren Mitgliedern im Sinne des Schreibens tätig zu werden.

PIRSCH: Was können Jäger, Züchter und Hundeführer tun, um das Anliegen des JGHV zu unterstützen?

Karl Walch: Man kann sich in der Sache faktenorientiert schlau machen, damit man weiß, um was es wirklich geht. Das Zweite ist: Wenn jemandem etwas an der Jagd, am Tierschutz und Tierwohl sowie einer effizienten Jagd liegt, soll er sich an alle politischen Mandatsträger wenden. Insbesondere auch an die Waldbesitzer und die Landwirtschaft. Die werden es am Schluss mit uns Jägern gemeinsam ausbaden müssen. Alle Leute an den entscheidenden Stellen müssen mit Sachargumenten gefüttert werden.

PIRSCH: Wie soll vermieden werden, dass ein kupierter Hund nach dem Verkauf an einen Nichtjäger weitergegeben wird, oder der Züchter auf dem Welpen sitzen bleibt, wenn ein Jäger abspringt?

Karl Walch: Wenn der Jäger abspringt, ist es Aufgabe des Züchters, den Welpen so lange zu behalten, bis er an einen qualifizierten Jäger abgegeben werden kann. Zum ersten Punkt: Dazu kommt es, weil beispielsweise die Welpen so süß aussehen und ein Nichtjäger partout einen Hund einer Jagdhunderasse haben will. Aber: Das sind in beiden Fällen in der Regel faule Ausreden und wir müssen uns von solchen Leuten – was ich hiermit gerne mache – öffentlich distanzieren. Das ist ein No-Go! Ein kupierter Hund gehört zwingend in die Hand eines Jägers, dafür machen wir uns als Verband stark.

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