Jagd auf schwarzes Rehwild: Die Schwarzen Teufel von Bückeburg

Eine besondere Rarität stellt schwarzes Rehwild dar. Nur wenigen Jägern ist es vergönnt, es in freier Wildbahn erleben zu dürfen.
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30. Juli 2023
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Schwarzes Rehwild ist eine Besonderheit, von dem viele Jäger träumen, es einmal bejagen zu dürfen.
Schwarzes Rehwild ist eine Besonderheit, von dem viele Jäger träumen, es einmal bejagen zu dürfen.

Schon nach den ersten noch sehr verhaltenen Fieptönen steht wie hingezaubert ein tiefschwarz gefärbtes Reh vor mir. Vom unerwartet schnellen Anblick ergriffen, dauert es ein bisschen, bis ich die Kamera für die ersten Aufnahmen startklar habe. Eine glänzend schwarze Geiß zieht langsam in Richtung meines Blattplatzes, den ich auf einem niedrigen offenen Hochsitz an einem Schneisenkreuz gewählt habe. Von hier aus sind nicht nur die mit Gras bewachsenen Sandwege einsehbar, sondern zum Teil auch die dicht bewachsenen Forstflächen. Hier sollen gleich drei schwarze Rehböcke ihren Einstand haben, versicherte mir mein Kollege, als er mich abgesetzt hatte. Endlich finde ich die Zeit, seiner schon seit vielen Jahren ausgesprochenen Einladung nachzukommen, die schwarzen Rehböcke im Schaumburger Forst bei Bückeburg zu erleben.

Manchmal stehe zwei Reviernachbarn gleichzeitig zu. Doch man kennt sich und Säbelrasseln reicht vielfach schon aus, um die Situation zu klären.
Manchmal stehe zwei Reviernachbarn gleichzeitig zu. Doch man kennt sich und Säbelrasseln reicht vielfach schon aus, um die Situation zu klären.
In historischer Jagdliteratur finden sich Hinweise, dass genau diese Gegend immer wieder als Wiege des schwarzen Rehwildes Erwähnung findet. Laut Aufzeichnungen gilt um das Jahr 1800 herum schwarzes Rehwild im Ottenser Forst im Kreis Grafschaft Schaumburg und in dem Waldgebiet Lucie im Kreis Lüchow-Dannenberg als nachgewiesen. Erst ab dem Jahr 1900 breitete es sich von dort lückenhaft allmählich über die ganze nordwestdeutsche Tiefebene bis in die angrenzenden östlichen Teile der Niederlande aus. Das Vorkommen ist dabei wohl nicht flächig, sondern nur sporadisch und mit wenigen geringen Anteilen an der gesamten Rehwildpopulation in der Region zu sehen.

Historische Beschreibung

Pastor Paulus zu Möllenbeck

„Schwarze Rehe halten sich in der Grafschaft Schaumburg hauptsächlich nur im Ottenser Forst auf. Einige haben sich in die angrenzenden hessischen und bückeburgischen Waldungen wahrscheinlich nur verirrt. Im Jahre 1771 war nur noch ein einziger schwarzer Bock bey drey rothen Geißen im Ottenser Forste. Wäre diesem, und wie leicht hätte das nicht geschehen können (!) ein Unfall begegnet, so war´s um die ganze Mohrenrace geschehen! Doch es ging glücklich. Er beschlug rüstig seine rothen Gattinnen, der neue Förster kam mit Heegen zu Hülfe und nun bestehe der dortige sehr ansehnliche Rehbestand vielleicht zum dritten Theile aus schwarzen Rehen. 

Sie sind glänzend rabenschwarz und haben nicht gelbe … sondern auch schwarze Spiegel … An Größe sind die erwähnten ganz schwarzen Rehe von den gewöhnlichen garnicht verschieden, und außer allem Zweifel ist´s, daß sie auch mit den letzteren sich begatten. Denn wie hätten sonst so viele jetzt vorhandene Rehe von dem einzigen noch übrig gebliebenen Bock entstehen können? Auch hat der dortige Förster sehr oft rothe Geißen mit zwey schwarzen und schwarze Geißen mit zwey rothen Kälbern gesehen – auch rothe sowohl, als schwarze mit einem rothen und einem schwarzen Kitzchen gesehen. Selbst Schecken, halb rot und halb schwarz, sind nichts seltenes …“

Begehrte Jagdbeute mit Seltenheitswert

So sind viele Revierinhaber stolz auf „ihre“ schwarzen Rehe und haben ein Auge darauf. Fast überall werden sie über Jahre geschont und nur hin und wieder ein reifer schwarzer Bock erlegt, was natürlich deren Seltenheitswert als Jagdbeute sehr hoch ansiedelt. Vielfach ist es einem Außenstehenden auch nicht möglich, sich einen Abschuss zu erkaufen. Vielmehr werden die raren Abschüsse in der Jägerschaft mit Gegeneinladungen auf begehrte Hochwildtrophäenträger getauscht. Anders im Fürstlichen Forstamt Bückeburg, wo man sich durchaus um einen Abschuss eines reifen schwarzen Bockes bewerben kann – wenn auch mit sehr langer Warteliste!
Das Alter von schwarzen Böcken anzusprechen ist extrem schwer. Am ehesten geben Rosenstöcke, Stellung der Rosen und andere Gehörnmerkmale Anhaltspunkte.
Das Alter von schwarzen Böcken anzusprechen ist extrem schwer. Am ehesten geben Rosenstöcke, Stellung der Rosen und andere Gehörnmerkmale Anhaltspunkte.
Die schwarze Geiß zieht immer wieder zurück in ihren Einstand, um bei weiteren Locktönen sofort wieder auf der Lichtung zu stehen. Dennoch ist mir nicht danach, den Stand zu wechseln, denn ich erhoffe mir einen zustehenden schwarzen Bock. Es ist mittlerweile um den 10. August herum, in vielen Gegenden schon nahe am Ende der Rehbrunft. Die Böcke sind nun müde und man muss schon etwas mehr Geduld am Stand aufbringen, um erfolgreich zu sein. So zeigt sich nach einer halben Stunde halb rechts vor mir in der dichten Forstkultur eine Bewegung. Ein mittelalter roter Sechser erscheint in einer Lücke. Er sichert immer wieder und zieht dann zielstrebig weiter in meine Richtung. Dabei hat er es auf eine Douglasie abgesehen, die mit Akazienstäben geschützt ist. Das stört den Bock eher wenig, er drückt die Stäbe auseinander und schlägt die gesamte Rinde von dem Bäumchen, ehe er wieder in der Deckung untertaucht. Ich entschließe mich, weiterzupirschen und es an einem dunklen, aber etwas offeneren Platz zu versuchen.
Mischerbig veranlagte Rehe sind mitunter an der schwarzen Maske, Schwarzfärbung an anderen Körperteilen oder einem Aalstrich zu erkennen.
Mischerbig veranlagte Rehe sind mitunter an der schwarzen Maske, Schwarzfärbung an anderen Körperteilen oder einem Aalstrich zu erkennen.

Erfolg trotz Beerensammlern

Dort höre ich noch vor dem ersten Blatten ein Rascheln hinter mir. In Zeitlupe drehe ich mich um. Doch statt des erhofften schwarzen Bocks ziehen zwei Beerensammler durch den Bestand. Trotz der Störung fälle ich die Entscheidung zu bleiben. Die ganze Szenerie „riecht“ geradezu nach Anlauf! Als die Sammler verschwunden sind, setze ich zur ersten Strophe an. Nach dem Verklingen der zweiten Tonfolge raschelt das Eichenlaub erneut. Ein Blick über die Schulter enttarnt einen roten Bock. Auf das Geraschel steht von gegenüber ein weiterer zu, erkennt seinen Reviernachbarn und schon stehen sie sich taxierend gegenüber. Nach zwei heftigen Schaukämpfen ist die Lage geklärt. Obwohl wieder kein schwarzer Bock, gelangen tolle Bilder, die das gerade Erlebte nicht im Ansatz wiedergeben können.
Ein rangniederer roter Bock kühlt nach dem Heranblatten sein Gemüt an einer mit Akazienstäben „geschützten“ Douglasie.Auch Rehböcke und Hirsche lieben Douglasien.
Ein rangniederer roter Bock kühlt nach dem Heranblatten sein Gemüt an einer mit Akazienstäben „geschützten“ Douglasie.Auch Rehböcke und Hirsche lieben Douglasien.
Nach zwei weiteren Ständen ohne Anlauf schiebe ich mich in eine unten offene, aber dunkle Ecke unter Alteichen. Mir ist klar, dass der Einstand rund um diese wenige Ar große Fläche herum ist. Der Rehbock kann sofort dastehen, eine Bewegung meinerseits würde sofort eräugt und mit Flucht quittiert. Es ist in diesem Wald schwierig, genug geeignete typische Plätze zum Blatten zu finden. Die Chancen sind ungleich verteilt, deutlich zu Ungunsten des Jägers. Doch einen Versuch ist es wert.
Im hohen Kraut einer Wildwiese treffen zwei schwarze Teufel heftig aufeinander.
Im hohen Kraut einer Wildwiese treffen zwei schwarze Teufel heftig aufeinander.

Ausgerichtet auf den von mir vermuteten Bereich, wo der Bock erscheinen müsste, beginne ich mit dem Fiepen. Sofort bemerke ich die typischen Laute, wenn ein Bock nah springt. Diesmal jedoch von hinten. Es ist unmöglich, die Kamera jetzt zu drehen. Es gelingt nur ein Blick über die linke Schulter, bei dem ich auf wenige Meter in die Lichter eines echten Moorbocks schaue! Die Luft knistert aufgrund unserer beider Anspannung. Meine verzerrten Halsmuskeln schmerzen bereits. Wer sich bewegt, hat schon verloren! Nur leider war ich nicht der Gewinner des Duells.

Besondere Herausforderung

Diese Begegnung hat mich in ihren Bann gezogen, auch wenn die Situation für ein Foto nicht gereicht hat – wenngleich es unter den Lichtverhältnissen sicher auch nichts Besonderes geworden wäre. Ich musste schon bei der Geiß feststellen, wie schwer es für den Sensor der Kamera ist, das tiefschwarze Reh strukturiert wiederzugeben. Nur mit Hilfe des Lichts aus rückwärtiger Position gelingen Bilder, die die volle Schönheit dieser Tiere zum Ausdruck bringen.
Am Ende der Blattzeit haben es die Rehböcke mit dem Zustehen nicht mehr so eilig. Geduld ist gefragt.
Am Ende der Blattzeit haben es die Rehböcke mit dem Zustehen nicht mehr so eilig. Geduld ist gefragt.

Gegen Abend verschlechtern sich im Bestand zunehmend die Lichtbedingungen. So ziehe ich an den Waldrand, denn auch die Felder und Wiesen um den Forst sind wunderbar kleinstrukturiert. Fast überallhin kann ich weit genug sehen, sodass mich ein Bock diesmal keinesfalls überraschen kann. Nach einigen Fiep-Serien und einer gefühlten Ewigkeit räume ich schon gedanklich den Stand, da erscheint suchend ein roter Bock unter dem Waldtrauf. Mir gelingen einige Bilder, doch irgendetwas macht mich stutzig.

Der Bock ist verschwunden. Beim Betrachten der Bilder fällt mir auf, dass dieser Bock anders aussieht als alle mir bis dahin bekannten roten Böcke. Sicher gibt es regional Unterschiede, wie Rehböcke gefärbt sind. Insbesondere die Gesichtsfärbung kann stark variieren. Zudem sehen rote Rehböcke in Deutschland anders aus als in Spanien oder Schweden. Doch dieser Bock war anders. Wenig später bekam ich nicht nur eine Erklärung, sondern konnte die Erläuterungen später an der Wildkammer an einem erlegten Bock sogar intensiv betrachten.

Leise Fiep-Töne zaubern die schwarze, geheimnisvolle Schönheit aus dem dichten Unterholz.
Leise Fiep-Töne zaubern die schwarze, geheimnisvolle Schönheit aus dem dichten Unterholz.
Für mich gab es bisher rotes Rehwild und manchmal geschecktes oder weißes, wo aufgrund eines Gendefekts Melanin fehlt. Auch beim schwarzen Rehwild handelt es sich um eine Veränderung der Erbfaktoren, die rezessiv vererbt sind. Was mir bis zu diesem Erlebnis allerdings neu war, ist die Tatsache, dass man die Mischerbigkeit in vielen Fällen auch erkennen kann. So ist die Deckenfarbe nicht wie beim roten Reh gelblich bis tiefrot, sondern hat eine braune Tönung. Zudem sind dunkle, schwarze Abzeichen im Gesicht als Maske zu sehen, an den Läufen, den Kastanien und manchmal weisen die Stücke auch einen Aalstrich auf.
Im Schatten der Vegetation ist das schwarze Rehwild nur schwer auszumachen.
Im Schatten der Vegetation ist das schwarze Rehwild nur schwer auszumachen.
Mein Kollege folgt ebenfalls der Auffassung vieler heimischer Jäger in den Revieren mit schwarzem Rehwild, dessen Anteil im Bestand zu erhöhen und schießt in den Revierteilen, wo das schwarze Rehwild nennenswert vorkommt, vorrangig die roten, was sich seit Jahren bemerkbar macht. Allein in diesem einen Revierteil beträgt der Anteil des schwarzen Rehwilds rund 60 Prozent.

Hexenringe um den Drückjagdbock

Am nächsten Morgen versuche ich es ein weiteres Mal an dem Platz, wo mir mein erstes schwarzes Stück begegnete. Nach den ersten Fiep-Lauten registriere ich eine Bewegung an dem etwa 150 m entfernten Drückjagdsitz. Das Fernglas bestätigt die Vermutung. Auf mein Blatten hin treibt ein schwarzer Bock seine rote Geiß. Nun ist mir klar, warum der alte Teufel sich nicht verführen ließ! Doch auch jetzt haben meine Blattkünste nur den Effekt, dass er dadurch aufgeheizt die Geiß unermüdlich treibt.

Nach einigen Runden lassen sich beide unter dem Bockgestell des Sitzes im Gras nieder. Der Wind ist perfekt, das nun goldene Licht der Morgensonne ebenfalls. Also, runter vom Sitz und versuchen, den beiden näher zu kommen. Doch von unten sieht die Welt gleich ganz anders aus – ich verfluche die üppige Vegetation. Es gelingt mir, bis zu einer starken Eiche zu kommen, die mir Deckung und die Möglichkeit gibt, anzustreichen. Zwei zarte Sprengfiep reichen, um den schwarzen Spießer aus seinem Lager sausen zu lassen.

Der schwarze Spießer hat sich für die Hexenringe mit seiner Geiß einen Drückjagdbock ausgesucht.
Der schwarze Spießer hat sich für die Hexenringe mit seiner Geiß einen Drückjagdbock ausgesucht.

Weitere leise mit dem Mund hervorgebrachte Laute bewegen den Bock, sich etwas umzustellen und ihn „ins rechte Licht“ zu rücken. Nur wenige Sekunden bleiben für die Fotos, ehe sich auch die Geiß erhebt und mit ihm in hohen Brombeerranken untertaucht. Wenige Tage später hat sich ein Jagdgast auf eben diesen reifen schwarzen Spießer am Forstamt angekündigt. Leider blieb er aber verschwunden. Eine „Alternative“, die ein umsichtiger Pirschführer immer haben sollte, führte dennoch zum erhofften Waidmannsheil. So besteht Grund zur Hoffnung auf eine erneute Begegnung mit dem schwarzen Teufel von Bückeburg in der kommenden Blattzeit.

Schwarzes Rehwild

Schwarz macht schlank

Der erste optische Eindruck, dass schwarze Rehe schwächer im Wildbret sind als normal gefärbtes Rehwild, trifft nicht zu. Die Gewichte sind bei vergleichbaren Stücken nahezu identisch. Man muss aber zugeben, dass ein schwarzes Reh mit glatt anliegender, glänzender Decke häufig schlanker wirkt als ein rotes Stück. Schwarz macht eben schlank! Allerdings fehlen einem Rehwildjäger für die Altersansprache wichtige Details. Insbesondere die Gesichtsfärbung fällt als Ansprechmerkmal komplett aus. Durch die intensive schwarze Farbe werden auch Merkmale am Gebäude stark kaschiert. Man kann sich folglich nur mehr auf die Gehörnmerkmale verlassen oder versuchen, seine schwarzen Stücke im Bestand durch regelmäßige Begegnungen und Aufzeichnungen kennen und differenzieren zu lernen.

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