Erntejagd – das verbinden die meisten direkt mit Rotten von Sauen, die aus Raps oder Maisfeldern flüchten. Doch auch im Niederwildrevier, wo Sauen maximal Wechselwild sind, ist es mitunter sehr erfolgreich, sich bei der Ernte der Feldfrüchte anzustellen: auf Raubwild! Auch wenn die Bejagung der Räuber im Sommer für die Niederwildhege und den Artenschutz nicht den hohen Stellenwert wie im Winter hat, so ist sie doch für die Eindämmung von Krankheiten sinnvoll. Auch das ein oder andere Küken, das noch nicht flügge ist, wird so im Zweifel noch vor der Prädation gerettet. Dazu kommt, dass sich gerade bei der Erntejagd öfters mal ein Jungfuchs mit der Flinte erlegen lässt. Mit Schrot erlegte Füchse mit 3,5 bis 4,5 kg werden für die Hundeausbildung und vor allem für die VGP, GP und Bringtreueprüfung dringend gesucht und lassen sich daher gut verwerten bzw. an Hundeführer verkaufen.
Feldfrüchte als Tageseinstand
Fuchs, Marderhund und gelegentlich auch Dachs und Waschbär nutzen die Feldfrüchte als Tageseinstand. Doch nicht jede Feldfrucht ist bei den Räubern gleich beliebt. Raps ist wohl die, in der sich gerade die Füchse am liebsten aufhalten. Das liegt daran, dass Raps oben sehr dicht ist und unten Gänge bietet, in denen das Raubwild sich gut fortbewegen kann. Wer also im kommenden Jahr Raps im Revier hat, der sollte sich dort bei der Ernte mit Flinte und/oder Büchse anstellen. Auch eine Kombinierte, deren Handhabung man blind beherrscht, ist ggf. geeignet. Je weniger Raps angebaut wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, Raubwild bei dessen Ernte anzutreffen. Von den Getreidearten wird der Weizen am ehesten tagsüber von den Füchsen und Marderhunden genutzt. Beim Getreide lohnt es sich aber meiner Erfahrung nach nur, wenn man sich bei den letzten zu dreschenden Flächen anstellt. Ansonsten haben die Räuber zu viele Möglichkeiten und die Wahrscheinlichkeit tatsächlich Beute zu machen, wird zu gering. Zur Maisernte sollte man dann in jedem Fall versuchen, im Revier zu sein. Wird Mais gehäckselt steht meist keine andere Feldfrucht mehr, und gerade in Feldrevieren konzentrieren sich die Räuber in der letzten Deckung.
Erntejagden lassen sich, wie auch bei denen auf Schwarzwild, nicht immer von langer Hand planen. Oft stellt man bei der Fahrt durchs Revier plötzlich fest, dass gedroschen oder gehäckselt wird. Deswegen habe ich während der Erntezeit immer meine Flinte und den Repetierer dabei. Ich versuche allerdings bei besonders interessanten Schlägen mit dem Landwirt vorab in Kontakt zu treten, um nach Möglichkeit etwas Vorlauf zu haben und noch den ein oder anderen Schützen zu gewinnen.

Zugegeben, in einer Region, in der es Schwarzwild gibt, wird man mit einem reinen Niederwildrevier kaum einen Jäger dazu bewegen, sich bei der Ernte mit anzustellen. Für mich ist das nicht ganz nachvollziehbar. Mir erschließt sich nicht, warum für viele eine bei der Erntejagd erlegte Sau einen jagdlich höheren Reiz ausmacht als ein erlegter Fuchs. Wer im Herbst auf Niederwild waidwerken will, der muss das Jahr über seine Energie in die Bejagung der Beutegreifer stecken. Zwei bis vier Jäger sind bei der Erntejagd auf Raubwild optimal. Mehr schaden nicht, aber meiner Erfahrung nach verlässt das Raubwild, wenn sich die Schützen ruhig verhalten, die Schläge immer an den Stirnseiten. Demnach reichen vier Jäger bei rechteckigen Feldern völlig aus.
Zu zweit stellt man sich diagonal an die Ecken, so hat man den besten Überblick und kann sehen, wann wo Wild auftaucht oder auswechselt. Wenn es möglich ist, sollte man auch bei der Erntejagd auf Raubwild – genauso wie bei der auf Schwarzwild – eine „Ansitzeinrichtung“ nutzen. Gegebenenfalls kann man vorhandene Einrichtungen verwenden. Ansonsten eignen sich einfache Scherenleitern oder aber die Ladefläche eines Pick-ups oder ATVs (Landesjagdgesetzte und UVV beachten!). Doch auch wenn sich kein Mitjäger findet, lohnt es sich, alleine loszuziehen. Da Füchse aber auch anderes Wild bei der Ernte gerne bis zum letzten Moment im Feld bleiben und dann die Deckung möglichst gegen den Wind, in Richtung des nächsten Verstecks verlassen, kann man die Räuber auch sehr oft alleine gezielt abpassen. Wie bei jeder Jagdart ist es wichtig, dass man sich als Schütze ruhig verhält und nicht unnötig bewegt. Bei der Schussabgabe darf nie in die Feldfrucht oder in Richtung der Maschinen geschossen werden! Auch sonst ist bei der Erntejagd besondere Vorsicht geboten. Jederzeit muss in der Feldmark mit Spaziergängern, Fahrzeugen oder ähnlichem gerechnet werden, die eine Schussabgabe verbieten. Ruhe und Besonnenheit sind dabei besonders gefragt.
Enge Chokes und hohe Vorlage
Besteht die Möglichkeit von einer Ansitzeinrichtung, einer Ladefläche oder ähnlichem aus zu jagen, empfiehlt es sich Flinte und Büchse mitzunehmen. Muss man hingegen vom Boden aus jagen und seine Position öfter verändern, ist die Flinte das Mittel der Wahl. Bei der Erntejagd hat man für gewöhnlich Platz zur Schussabgabe und ist nicht gezwungen, auf sehr kurze Entfernungen zu schießen, deshalb sollte man möglichst enge Chokes und Patronen ab 3,2 mm mit möglichst hohen Vorlagen wählen. Ich verwende für die Erntejagd für gewöhnlich meine Selbstladeflinte in 12/76 mit 3,5 mm bis 4,2 mm Schrotpatronen mit 56 g Vorlage. Damit habe ich auch auf Entfernungen von 40 m eine gute Tötungswirkung. Als Büchse verwende ich einen Repetierer in .308 Win. mit einem variablen Swarovski 2-16x50 Z8i. Damit ist auch ein Schuss auf weitere Distanz sicher möglich, und ich bin gerüstet, falls doch Schwarzwild in der Feldfrucht steckt. Um nicht stundenlang am Feld zu stehen, stelle ich mich grundsätzlich immer erst eine halbe Stunde bis Stunde bevor der Schlag fertig geerntet ist an. Befinden sich Fasane in dem Schlag, werden diese in der Regel von den im Feld umherlaufenden Räubern aufgescheucht und streichen daher zeitig ab. Ist kein Raubwild in der Frucht, bleiben auch sie fast immer bis zum Schluss im Feld.

Wenn alles glatt läuft, kann man bei der Ernte in kurzer Zeit sehr gut Strecke machen. Marderhunde sind fast immer zu zweit unterwegs und auch bei den Füchsen sind öfters mehrere gleichzeitig im Schlag. Auch wenn das Warten darauf, dass Wild den Schlag verlässt oft etwas zäh ist, so bietet die Erntejagd doch sehr spannende Momente und erweitert den jagdlichen Horizont. Wer abends noch Zeit hat, sollte es natürlich nicht verpassen, sich noch an den frischen Stoppeln anzusetzen, auch hier bieten sich sehr gute Chancen auf ein Waidmannsheil.