Die Jagd nach seltenen Klingen: Zu Besuch beim Messerjäger

Mitten im Münsterland hegt und pflegt ein Waidmann eine der eindrucksvollsten Puma-Messer-Sammlungen Deutschlands. Wir haben den Sammler besucht und seine seltenen Kaltwaffen inspiziert.
Aufmacher
Im Münsterland gibt es eine der deutschlandweit besten Sammlung von Puma-Kaltwaffen.

Ralf öffnet den Aktenschrank nur widerwillig. „Das darf keiner wissen, dass ich das habe“, lacht er. „Sonst klopfen alle Sammlerkollegen bei mir an“. Auf den Metallregalen liegt, fein säuberlich gestapelt, dunkelgrüner Schaumstoff. Handelsüblich im Baumarkt kosten ein mal zwei Meter zehn Euro. Aber diesen Schaumstoff kann man nicht kaufen. Mühsam hat ihn der 54-Jährige zusammengesucht, denn er ist über 40 Jahre alt und bettet Messer in gelbe Schatullen. Ralf sammelt, und das akribisch. Seine Leidenschaft: Puma-Messer.

Ein kleiner Teil von Ralfs Sammlung, ausgebreitet im Wohnzimmer
Ein kleiner Teil von Ralfs Sammlung, ausgebreitet im Wohnzimmer

Die Puma-Produktpalette im Keller

Da ist es selbstverständlich, das selbst der Schaumstoff ein Original sein muss. In seinem kleinen Kellerraum im Münsterland wummert eines der Herzen einer weltweit vernetzten Sammlergemeinschaft. Hunderte seltene Puma-Messer stapeln sich hier, über Jahrzehnte zusammengesucht von dem begeisterten Jäger. Jagdnicker, Waidblätter, Taschen- oder Falknereimesser – hat Puma es zwischen den 1950er- und 1990er-Jahren produziert, liegt wahrscheinlich zumindest ein Exemplar in einer der Kisten in Ralfs Keller.

Jedes dieser fünf Jagdtaschenmesser ist selten, teuer und erzählt eine spannende Geschichte.
Jedes dieser fünf Jagdtaschenmesser ist selten, teuer und erzählt eine spannende Geschichte.

Eine Sammlung sollte es nie werden

„Angefangen hat alles mit Old Shatterhand“, erzählt Ralf, während er Kasten um Kasten auf seinem Esstisch aufklappt. Es blinkt und blitzt, Elfenbein und Edelmetalle wechseln sich mit Hirschhorn in unterschiedlichsten Schattierungen ab. Der Cowboy führte im Film von 1962 ein Puma White Hunter. „So eins wollte ich auch. Und als ich es dann hatte, sind es immer mehr geworden“, zuckt Ralf mit den Achseln. Seine neuste Errungenschaft: ein altes Jubiläumsmesser von Kettner. Wert? Das mag er nicht schätzen, vierstellig wird es sicher sein. Selbst gekauft hat er es nicht, ein befreundeter Sammler entdeckte es auf Ebay, für 780 Euro. Der zögerte keine Sekunde und kaufte es für den Kollegen.

Ein Falknermesser mit Kerbe, um Schnüre durchzuschneiden.
Ein Falknermesser mit Kerbe, um Schnüre durchzuschneiden.

So viele Puma-Sammler gibt es in Deutschland

Die Gemeinschaft ist eingeschworen, wirklich ernsthafte Puma-Sammler gibt es wohl zehn bis 20 in Deutschland, schätzt Ralf. Man kennt sich und die Sammlung der anderen. Wenn etwas zu einem Kollegen passt, kauft man es. Tauschen kann man immer. Jeden Sonntag telefoniert Ralf mit Ken, Arthur und Tom, drei gut situierten Sammlern aus Amerika. Gegenseitig halten sie Messer in die Kamera und tauschen. Dabei muss sich der Servicetechniker mit seinen Klingen nicht vor denen der finanzstarken Amerikaner verstecken. Denn der Münsterländer hat etwas, was sonst kein Sammler in Deutschland hat: seine persönliche Fliegenfalle.

Der Segen des Internets

Wer im Internet nach Puma-Messern sucht, landet eher früher als später auf der Seite pumahunter.de. Eigentlich als Archiv im Jahr 2000 gestartet, dokumentiert der passionierte Raubwildjäger dort alle seine Messer mit umfangreichen Angaben. Inzwischen lagern zirka 25.000 Fotos auf pumahunter.de. „Da ist mein Vorteil“, weiß Ralf. „Die Leute finden irgendein Puma-Messer, eingewickelt in Ölpapier in Opas Schrank, suchen im Internet danach und landen auf meiner Seite.“ So kam Ralf immer wieder an Sammlerstücke, die nie auf üblichen Börsen inseriert wurden.

Der Schaumstoff für die Messer ist original und mühsam zusammengesammelt.
Der Schaumstoff für die Messer ist original und mühsam zusammengesammelt.

Ende einer Ära?

„Die fetten Jahre sind aber vorbei“, erzählt er, während wir zurück in den Keller steigen. Ironischerweise ist Ralf ein bisschen selbst dran schuld. Durch seine Internetseite sind die Leute heute gut über Puma-Messer und deren Wert informiert. Günstige Schnapper, die er in den ersten Jahren oft machen konnte, gibt es heute fast nicht mehr. „Bei einigen Auktionen muss ich nicht mehr mitmachen“, sagt Ralf. Zu hoch klettern die Preise. Umso mehr freut er sich über seine Schätze, die er in seiner Anfangszeit sammeln konnte. Doch längst nicht jedes Messer kommt von selber zum Sammler – oft ist viel Detektivarbeit nötig.

Auf der Suche nach Seltenen Stücken

Unten im Keller zieht Ralf vergilbtes Pergamentpapier aus einem Schrank. Ehrfürchtig streicht er über das dicke Material. „Das ist ein Katalog aus den 1930er-Jahren, sehr selten“, erklärt er. Verkaufskataloge, in denen Puma-Messer auftauchen, sind unter Sammlern fast genauso viel wert wie manche Messer. Wer sich für die Kaltwaffen aus Solingen interessiert, kann nicht einfach bei Puma anrufen und herausfinden, was für ein Modell er gerade erstanden hat. 1979 brannte das Firmenarchiv von Puma ab. Kurioserweise wissen Sammler wie Ralf deswegen oft besser über alte Puma-Messer Bescheid als der Hersteller selbst. „Die Leute von Puma rufen mich regelmäßig an, weil sie Infos zu einem Messer brauchen“, schmunzelt Ralf. Immer wieder beantwortet er Fragen für Puma zu alten oder seltenen Messern, wenn Kunden sich an den Hersteller wenden.

Die Sammelwut wurde zu einer Jagd

Sein eigenes Archiv hat er mühsam zusammengesucht. Als Sercivetechniker für automatische Warenlager fährt er seit mehr als 30 Jahren durch ganz Deutschland, Holland und England, um Maschinen und Roboter zu reparieren. „Überall wo ich langzuckeln musste, habe ich immer nach Jagd- oder Waffengeschäften Ausschau gehalten“. Dort nahm er den oft dankbaren Büchsenmachern alles ab, was an alten Katalogen, Messern und Accessoires noch im Laden lag. Manchmal ähnelt das Sammeln deswegen eher der Jagd. Und nichts ist befriedigender, als wenn diese erfolgreich ist; beispielsweise bei der Kranichsteiner Linie.

In alten Katalogen findet Ralf seltene Puma-Messer zum Sammeln.
In alten Katalogen findet Ralf seltene Puma-Messer zum Sammeln.

Kamele auf Drückjagd

Eine Serie bestehend aus elf Messern mit vergoldeten Backen und Griffen aus Kamelknochen. Irgendwann stieß Ralf auf eine der Klingen und kaufte sie. Niemand wusste, was für Messer das waren. Durch Kataloge und Telefonate mit ehemaligen Puma-Mitarbeitern fand Ralf heraus, dass ein Großindustrieller von jedem damaligen Puma-Messer zehn Stück in dieser Konfiguration geordert hatte, um sie bei Drückjagden auf dem Kranichsteiner Schloss in Darmstadt Mitte der 1970er-Jahre als Standgeschenk zu verteilen. Seitdem jagt Ralf den Taschenmessern hinterher. Wie viele es davon noch gibt? Das weiß niemand. „Aber die Jagd ist der halbe Spaß“, erklärt Ralf. Und die lohnt sich. Jedes der Kranichsteiner Messer ist rund 2.000 Euro wert!

Die Taschenmesser der Kranichsteiner Linie ließ ein Großindustrieller als Standgeschenk für seine Gäste fertigen.
Die Taschenmesser der Kranichsteiner Linie ließ ein Großindustrieller als Standgeschenk für seine Gäste fertigen.

Kein Ende in Sicht

Wie viel seine Sammlung wert sind, mag Ralf nicht beziffern. „Einen Ferrari kann man sich dafür auf jeden Fall in die Garage stellen“, denkt er. In diesem Artikel wird deswegen nur sein Vorname verwendet. Ums Geld ging es aber nie, geht es noch immer nicht. Wer Ralf sieht, wie er sich über die Handarbeit und Eigenheiten seiner Messer freut, merkt, worum es dem Münsterländer geht: die Freude am Sammeln und die Jagd nach dem nächsten, unbekannten Messer. Und davon gibt es noch reichlich zu entdecken.

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