Messer: Wie modern sind Hirschfänger, Waidblatt und Co?

Jagen ist oft mit Fachsimpeln verbunden. Für vieles im Waidwerk gibt es ein Für und Wider. So auch bei klassischen Klingen. Wir haben mit zwei Experten auf der Messermesse "KNIFE" in Solingen das Gespräch gesucht.
6 Auch Jagdmesser gab es in dutzenden Ausführungen. Die Herausforderung war, eins zu bekommen.
Auch Jagdmesser gab es in dutzenden Ausführungen. Die Herausforderung war, eins zu bekommen.

Sie sind fester Teil des deutschen Waidwerks, in jedem Lehrbuch rund um die Jagd werden sie genau beschrieben und liegen in nahezu jedem Jagdkurs – und nicht zuletzt in zahlreichen Prüfungen aus: Kalte Waffen. Darunter insbesondere Waidblatt und Nicker. Aber: Wie zeitgemäß sind die Klingen mit Blick auf heutige Anforderungen noch? Darüber hat die Redaktion mit den beiden Experten Carsten Zulauf (Jagdservice Franken) und Jörg Urbaincyk am Rande der Messermesse "KNIFE" in Solingen gesprochen.

Eine Krux sind insbesondere die Materialien. „Horn- und andere Naturmaterialien sehen schön aus, sind aber schwer sauber zu halten“, meint Carsten Zulauf. „Mit Blick auf die Wildbrethygiene haben Messer, die einen gut zu reinigenden Griff haben, einen deutlichen Vorsprung.“ Ein wichtiger Aspekt, das zeigen auch die Ergebnisse der Jungjägerbefragung des Deutschen Jagdverbands. Für fast 50 Prozent der Befragten war die Gewinnung und der Genuss eines qualitativ hochwertigen Lebensmittels Beweggrund, das grüne Abitur zu absolvieren. Aber: Trotz der erschwerten Reinigung und damit möglicherweise verbundenen Folgen für die Wildbretqualität hat Carsten Zulauf eine deutliche Meinung zu den traditionellen Messern.

Neben modernen Klingen fanden sich auf der „KNIFE“ in Solingen auch traditionelle kalte Waffen.
Neben modernen Klingen fanden sich auf der „KNIFE“ in Solingen auch traditionelle kalte Waffen.

Die wahre Bedeutung von Tradition

„Ich meine nicht, dass es sich dabei um Werkzeuge handelt, die von Trends überholt worden sind. Immerhin ist das Waidblatt oder etwa der Nicker ja Teil der Jagdkultur und -Geschichte.“ Dem schließt sich Jörg Urbaincyk, ein bekanntes Gesicht in der deutschen Messerszene, an: „Tradition wird nicht überholt, sie wird höchstens ausgeweitet.“ Eine Entwicklung, auf die Hersteller von traditionellen Klingen bereits reagiert haben. Die Klassiker gibt es mittlerweile in verschiedensten Ausführungen. Das war auch deutlich auf der Messermesse „KNIFE“ in Solingen am zweiten Maiwochenende zu sehen. „Feststehende Messer sind im Grunde nicht schlecht – gerade mit Blick auf die Konstruktion“, meint Carsten Zulauf. Die Klingen haben meistens Gewicht und federn dadurch weniger beim Arbeiten mit Kraft. „Die feststehende Klinge ist gut für Schnitte, bei denen viel Kraft angewandt werden muss“, betont Jörg Urbaincyk. Auch an den Eigenschutz haben die meisten Konstrukteure gedacht: Sei es durch die Griffform oder aber eine Parierstange.

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Traditionelle Klingenformen treffen mittlerweile auf moderne Gestaltung.

Bedeutet Kunststoff den Untergang des Waidwerks?

Auf dem absteigenden Ast scheinen die Klassiker also definitiv nicht zu sein. Der Hirschhorngriff fristet kein Nischendasein, sondern scheint beim Blick in die Auslagen der Hersteller auf einer Stufe mit Kunststoffgriffen zu stehen. Während Traditionalisten im neonorangen Klassiker schon den Untergang des deutschen Waidwerks wittern, sieht Carsten Zulauf das Produktportfolio pragmatischer: „In erster Linie ist ein Jagdmesser für mich ein Werkzeug.“ Heißt: „Der Style steht dabei erstmal im Hintergrund.“ Abgesehen davon haben die Klassiker im Neongewand einen weiteren Vorteil: „Es geht ja auch ums Wiederfinden im Wald, wenn ich das Messer mal verliere.“ „Ich kenne zahlreiche Jäger, die nur damit auf Jagd gehen. Das ist völlig legitim.“ Wichtiger ist für die beiden Experten ein anderer Aspekt.

„Nur weil ein Messer schön ist, bedeutet das noch lange nicht, dass es auch brauchbar ist. Man muss damit umgehen können.“ Denn gerade bei Messern zeige sich, dass die Jagd ein Handwerk ist. „Man sollte Übung in die Sache reinbringen. Beispielsweise dadurch, dass man zuhause ein Stück Fleisch mit dem Messer bearbeitet. Das sei besonders für Jungjäger wichtig. „Nach dem Kurs fehlt einfach die Praxis. Und dann soll ein Jungjäger im Wald Wild aufbrechen. Das ist eine Sondersituation, es ist Adrenalin im Spiel. Da schneidet man sich schnell.“ Für Carsten Zulauf ist klar: „Es braucht Routine im Umgang mit dem Werkzeug.“

Klassisch oder modern: So kommt kein Frust auf

Doch vor dem großen Test in revierfernen Gefilden steht etwas anderes an: Der Gang zum Messerhändler des Vertrauens. Das spart nicht nur Wartezeit, sondern verhindert Frust beim Waidmann: „Das Messer muss sich gut in der Hand anfühlen, gerade mit Blick auf Gewicht und Größe“, meint Carsten Zulauf. Aufgrund der Maße hat sich bei manchem Waidmann auch das Arbeiten mit mehreren Messern bei vielen eingebürgert: Die feststehende Klinge für Arbeit, bei der es Kraft braucht und ein Messer mit Aufbruchklinge zum Aufbrechen. Ein Hoch erleben klassische Klingenformen bei Hundeführern und Nachsucheführern. In geupdateter Form – sei es in Sachen Stahl, Griffmaterialien oder aber mit Aussparungen an der Klinge. Häufig befinden sich die Gespanne in Situationen, wo der Gebrauch einer heißen Waffe mit einer Gefahr für den Hund verbunden ist. Der Griff zur kalten Waffe ist für den vierbeinigen Gefährten dann oftmals weniger gefährlich.

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