Der findige Tüftler suchte mit Konstrukteur Meinrad Zeh den Schulterschluss, der in der Branche als Vater der Blaser R93 bekannt ist. Er arbeitet exklusiv für Waffen Jakele und hat gemeinsam mit Jakele den Geradezugrepetierer „Made in Bavaria“ aufs Gleis gestellt. „Die Konstruktion und der erste Prototyp waren recht schnell fertig. Was aber sicher nochmal 2,5 Jahre in Anspruch genommen hat, war das Finden der richtigen Zulieferer in Bayern“, sagt Jakele rückblickend. Denn beide haben nicht geschaut, was möglichst billig ist, sondern waren stets auf der Suche nach den besten Lösungen und der besten Qualität. Das frisst Zeit.
Von drei Blättern zur fertigen Waffe
Die Geburt der feschen Allgäuerin fand auf drei Blatt Papier statt! Auf Blatt 1 stand, was die Waffe haben muss, um erfolgreich zu sein. Sie sollte kurz, elegant-führig, von der Funktion intuitiv und extrem sicher sein. Blatt 2 widmete sich bekannten Fehlern, die man abstellen wollte. Dass sich der Vorderschaft witterungsbedingt nicht verziehen kann und es zur Laufanlage kommt. Der Riemenbügel sollte variabel auf dem Lauf sitzen, um die Balance beim Schalldämpfereinsatz herstellen zu können. Eine neuartige Laufbettung und ein verstellbarer Feinabzug mit Umschaltung von „Match“ auf „Jagd“ standen ebenfalls im Pflichtenheft.
Blatt 3 ging noch tiefer ins Detail. Spannen und Entspannen sollten absolut lautlos und im Anschlag von Mann und auch einer Frau (!) möglich sein. Noch wichtiger war für Andreas Jakele, dass das Waffensystem intuitiv arbeitet und Fehler von vornherein ausschließt. „Ich habe viele Kunden im Laden befragt, die offen zugegeben haben, dass sie schon mal nicht entspannt haben“, berichtet er aus seiner 47-jährigen Büchsenmachertätigkeit. „Daher wollte ich ein System auf den Markt bringen, das die Fehlerquelle Mensch ausschließt. Ich nenne das neudeutsch ‚Relax-System‘, bei dem Sicherheit zu Ende gedacht wurde.“

Federkräfte und der Compoundeffekt
Alles beginnt schon im Detail. „Während bei einem 98er bis zum Zünden einer Patrone 90 g mit 30 kg Federkraft bewegt werden müssen, sind es beim R8 etwa 30 g mit 18 kg und bei der J1 nur ca. 12 g mit 6 kg. Je leichter das ist, desto weniger Zündverzugszeit habe ich und desto schwächer kann die Feder sein“, fasst Jakele zusammen. Das überträgt sich auch auf die Handspannung: Beim Spannen der J1 muss man anfangs 6 kg überwinden, dann setzt ein sogenannter Compoundeffekt (von den Hochleistungsbögen bekannt) ein und man hält die Handspannung – einen Haken im hinteren Bereich des Abzugsbügels – über den Mittelfinger mit etwa 2,3 kg. Das ist kinderleicht!
Ebenso leicht wie das Vorderschaft-Chassis aus carbonfaserverstärktem Hochleistungskunststoff. Bei meinem Besuch habe ich versucht, es zu zerbrechen oder wenigstens zu verbiegen, was mir nicht gelang. Um das Chassis liegen Kunststoff- und Holzvorderschaft passend zum Kunststoff-Lochschaft oder den beiden Holzschaftvarianten (Lochschaft und klassisch mit bayerischer Backe). Der Vorderschaft wird nicht mit der Waffe verschraubt, sondern nur eingeklickt bzw. ist mit Druckknopf zu entriegeln, was ihn absolut spannungsfrei macht. Von Kunststoff auf Holz kann man binnen 60 Sekunden wechseln. Der für die Hinterschaft-Demontage, den Laufwechsel und für die Verschlussentnahme nötigen J1-Schlüssel ist klapperfrei im Vorderschaft eingeklippt.
Apropos leicht: Das ist auch der neue Feinabzug von Jakele, der ohne Aufpreis mit an Bord ist. Ihn kann man mit 250/ 650 g oder 350/ 750 g ordern. Über einen Schieber vor dem Abzugszüngel kann man das Gewicht anwählen – nach vorn wird’s leichter, quasi Match-Modus, nach hinten wird der schwerere jagdliche Abzugswiderstand angewählt. Die Charakteristik sucht ihresgleichen: kein Vorzug, kein Durchfallen – einfach klasse!
Mit dem J1-Schlüssel lässt sich auch der Lauf demontieren. Bei der J1 erfolgt im Alubett eine dreidimensionale Laufbettzentrierung über einen präzisionsgeschliffenen und gehärteten Zylinder. Damit ist die Waffe absolut unempfindlich beim Schuss gegenüber Drehmoment bzw. auch gegenüber Öl auf der Laufbettung.

Lauflängen und Verschlusssache
Die aus hochwertigem Gewehrlaufstahl kaltgeschmiedeten Läufe mit angehämmerten Patronenlager sind außen plasmanitriert sowie BDC-beschichtet. Ihre Längen reichen von 440 bis 650 mm, der Mündungsdurchmesser beträgt 17 mm und alle Rohre tragen ein M14x1-Gewinde für Schalldämpfer – und das alles ohne Aufpreis. Dickere Läufe bietet Andreas Jakele nicht an, denn „die machen doch nur bei einem Sportgewehr wegen zu schnellem Hitzeflimmern Sinn“, ist sein Credo.
Anders ist auch der Verschluss, der mit vier Warzen mittels Steuerkurve und 90-Grad-Drehung direkt im Lauf verriegelt. „Unsere Warzen tragen zu 100 Prozent in ganzer Breite“, untermauert er die Stabilität. Bei der Entnahme des Verschlusses muss man rechts neben dem Verschlusskopf mit dem J1-Schlüssel auf die Verschlusskopf-Arretierung drücken, schon springt der Verschluss in einer 90-Grad-Drehung um, und man kann ihn auf Schienen gleitend nach hinten entnehmen. Lauf und Verschluss sind bei der Jakele J1 gepaart und zusammen beschossen, ein Wechselsystem besteht also aus nummerngleichem Lauf und Verschluss.
Andreas Jakele hat bewusst auf ein Einsteckmagazin verzichtet, denn so kann er Systemwandstärken von 8 bis 9 mm realisieren, was im Schuss kaum zur Verwindung des Gehäuses führt. Trotzdem ist die J1 extrem schlank.
Dies und das an der Jakele J1
Kommen wir zu der heute so gefragten „Feuerkraft“. Jakele hat die Kapazität auf 2 + 1 Schuss limitiert, was im 98er Bereich an die „Kesslerin“ erinnert. Ein praktisches Feature ist einer Legende entliehen: der Schnellentladeknopf à la Mannlicher-Schönauer, der hier vorn rechts oberhalb des Abzugbügels sitzt. Auf Knopfdruck kommen die zwei Schuss nach oben raus und man muss sie nicht einzeln rausrepetieren!

Eine Transportsicherung hinten am Kolbenhals ist gerade für Durchgeher und Bergjäger interessant, denn wenn sie aktiviert ist, lässt sich die Waffe weder spannen, weil das Schlagstück blockiert ist, noch der Verschluss öffnen. Offen ist Jakele hingegen für Kunden mit Blaser-Sattelmontage, denn die passt ebenfalls auf die J1. Allerdings hat er auch seine eigene schussfeste und wiederholgenaue Montage auf den Weg gebracht, die die beiden Backen über eine Steuerkurve in die Nuten des Laufs presst und so keine Abscherrkräfte beim Verriegeln der Montagehebel entstehen.
Fazit: Alles in allem bietet die Jakele J1 so ein Feuerwerk an neuen Detaillösungen, technischen Verbesserungen sowie ein „intelligentes“ Handspannersystem, dass sich einem die Frage aufdrängt, warum man Benz fahren soll, wenn man für weniger Geld auch einen Maybach bekommt. Ich jedenfalls bin so begeistert, und das will nach 23 Jahren im Ausrüstungsbereich schon was heißen, dass ich mir – ungeschossen – eine bestellt habe. Da glaube ich dem Andreas Jakele, der mir ein 18-mm-Schussbild unter die Nase hielt, bei dem nach jedem Schuss alles ein- und ausgebaut bzw. ab- und aufgesetzt wurde. Mit meiner J1 werde ich die Probe aufs Exempel machen.
Technische Daten: Jakele J1 All terrain – Alpin – Alpin Bavaria
Hersteller & Vertrieb: Andreas Jakele, www.waffen-jakele.de
Preis (UVP): ab 4.400 € mit Kunststoff-Lochschaft; Holzversion ab 5.900 €
Kaliber: .222 Rem., .223 Rem., 6,5 CM, 7x64, .308 Win., .30-06, 8x57 IS, 9.3x62, .300 Win. Mag.
Gewicht: 2,6/ 2,7 kg (480er Lauf, je nach Holzschaft)
Schaft: neutral geschäfteter Kunststoff-Lochschaft (grün oder braun), Holz-Lochschaft oder traditioneller Holzschaft mit bayerischer Backe – Rechts- oder Linkshand ohne Aufpreis, 370 mm Standardlänge, Riemenbügelöse
Sicherung: Handspannung als Fingerhaken am Abzugsbügel („Relax-System“); Transportsicherung
Lauf: 440, 480, 520, 580, 630 oder 650 mm, plasmanitriert und BDC-beschichtet, Mündungsgewinde M14x1, Mündungs-Ø 17 mm – alles ohne Aufpreis, Riemenbügelvollring variabel am Lauf angeschraubt
Gesamtlänge: 930 mm (480er Lauf)
Abzug: umschaltbarer Feinabzug, 250/ 650 g oder 350/ 750 g (ohne Aufpreis) – mittels Schieber verstellbar; Abzugszüngel schwarz oder goldfarben (Aufpreis)
System: Alu-Systemkasten; Geradezugrepetierer mit Drehkopfverschluss, 4 Warzen verriegeln direkt im Lauf, Links- und Rechtssystem ohne Aufpreis, Wechselsystem besteht aus Lauf & Verschluss (1.350 €)
Kapazität: 2 + 1 Schuss, Schnellentladeknopf
Visierung: ohne Visierung, vorbereitet für die neue Jakele-Montage mit Steuerkurve für alle gängigen ZFs (350 €); Blaser-Sattelmontage passt auch