Text „PIIIEP!“ schrillt es aus dem Shot-Timer. Drei Schüsse folgen. Dann schabt Metall auf Hartplastik. Mit einem satten Klicken rastet die Glock 19 wieder in ihrem Holster ein. „Trefferaufnahme“ ruft Christian Bender, und alle Kursteilnehmer folgen der Anweisung. In fünf Metern Entfernung klaffen zwei Dutzend Löcher im Ziel. Mit einem Edding streicht Bender die drei neuen Einschüsse ab. „Alle drin“, resümiert er.

Bender ist IHK-zertifizierter Schießausbilder und seit über 20 Jahren Jäger. Seine Kunden sind Behördenmitglieder, Sportschützen – und Jäger. Für letztere bietet er regelmäßig in einer saarländischen Kleinstadt ein spezielles Seminar an. An drei Tagen sollen die Teilnehmer die Grundlagen im Umgang mit der Kurzwaffe erlernen, so sein Anspruch. Ein vorbereitender Online-Kurs soll dabei helfen.

Alle drin. Die schnellen, gezielten Schüsse auf das Timer-Signal haben ihr Ziel sauber getroffen. „Ein Fortschritt“, wie Thomas (Name von der Redaktion geändert) feststellt. Beinahe routiniert tauscht der Kursteilnehmer das angebrochene Magazin in der Waffe gegen ein volles. Seine Glock verschwindet danach in seinem Holster. Dieses trägt Thomas diskret zwischen Körper und Hose. Vor dem anthrazitfarbenen Poloshirt fällt die schwarze Pistole kaum auf.
Mangel an Ausbildung von Beginn an
Thomas‘ Routine an der Kurzwaffe ist keine 24 Stunden alt. Denn eine praxisnahe und zielgerichtete Schießausbildung an der Kurzwaffe wie Bender sie anbietet, erlebte er weder in der Jagdschule noch bei Schießstandbesuchen. „Zu mir kommen hauptsächlich Menschen, die Lücken in ihrer Ausbildung erkannt haben und die sie hier schließen wollen“, erklärt der Ausbilder, „das können Menschen sein, die gerade ihren Jagdschein erworben haben, aber auch Berufsjäger oder Förster.“

Dass es nicht um möglichst schnelles Schießen und das Unterbieten der persönlichen Bestzeit geht, deuten die Wildscheiben auf den mobilen Kugelfängen an. „Dort, wo bei uns Jägern die Kurzwaffe zum Einsatz kommen kann, ist vorher oft etwas schiefgelaufen“, erklärt Bender. „Sei es ein Wildunfall oder ein schlecht angetragener Schuss beim Ansitz.“

Und was in solch einer Situation entsteht, simuliere der Shot-Timer: Stress! „Es ist wirklich erstaunlich, was dieser kleine Zeitmesser mit seinem Piep bewirkt“, sagt Bender lächelnd. Doch dann wird er wieder ernst: „Alles hier passiert ohne kalte, nasse, dreckige Finger, ohne Dunkelheit, ohne verzweifeltes Klagen des kranken Stücks.“ Die Mienen der Kursteilnehmer geben ihm Recht. Sie wissen: Draußen, außerhalb der Künstlichkeit des Schießstands, geht es anders zu.

Während er in einer Übungspause seine Magazine lädt, kritisiert Thomas die Mängel in der Ausbildung: „In Sachen Kurzwaffen besteht bei den Jagdschulen und den ausbildenden Jägerschaften starker Nachholbedarf.“ Seit über 20 Jahren besitzt er den Jagdschein, seit gut 15 Jahren ist er professioneller Nachsuchenführer. Warum Pistole und Revolver in der Jagdausbildung so stiefmütterlich behandelt würden, wisse er nicht. „Wir haben das gesetzliche Privileg, als Jäger zwei Kurzwaffen besitzen und führen zu dürfen“, sagt Thomas. „Es ist für mich selbstverständlich, mich mit meinen Werkzeugen auseinander zu setzen, um sie sicher benutzen zu können.“ Seine Magazine verschwinden in den Magazintaschen. Der nächste Übungsdurchgang beginnt.
Mythen und Märchen über Kurzwaffen
Viele Jäger bringen die Kurzwaffe nur mit Fallenjagd oder dem annehmenden Keiler in Verbindung. Bender hält das für falsch: „Wir müssen uns bewusst machen, dass wir auf der Jagd immer situationsgerecht handeln müssen“, sagt der Ausbilder und zeigt auf die Wildscheibe mit dem heranstürmenden Schwarzkittel. „Es gibt nicht immer nur eine Lösung.“ Nach seiner Auffassung füllt die Kurzwaffe die Lücke zwischen der Langwaffe und dem Messer. Gerade beim Wildunfall könne sie helfen, wenn die Langwaffe aus Sicherheits- und das Messer aus Tierschutzgründen nicht zum Einsatz kommen kann oder sollte.

Es hat also einen Sinn, dass auf den fast flach am Boden liegenden mobilen Kugelfang eine Rehbockscheibe getackert ist. Sie soll ein angefahrenes Stück Rehwild simulieren. „Ein Schuss ins Stammhirn ist der schmerzfreiste und schnellste Tod und sollte aus tierschutzrechtlichen Aspekten beim Fangschuss, wenn möglich, immer priorisiert werden“, erklärt Bender. „Es ist also gut, wenn wir anstatt zwei ein weiteres Werkzeug in unserem Repertoire haben.“ Thomas bestätigt dies. „Auf Nachsuchen nutze ich die Langwaffe – wenn die Hunde am Stück sind, natürlich die kalte Waffe“, erklärt er. Für Wildunfälle oder andere Notfälle sieht er aber eine klare Berechtigung für die Kurzwaffe – deshalb sei er hier.
Es werde Nacht – Zeit der Wildunfälle
In dem Kurs versucht Bender alle Teilnehmer von Grund auf neu aufzubauen. „Die Herausforderung liegt nicht darin, jemanden zu schulen, der noch nie eine Kurzwaffe in der Hand hatte“, erzählt der Ausbilder. Alle Teilnehmer schießen bereits seit mehreren Jahren mit ihren Kurzwaffen. Seine Aufgabe sei es vielmehr, eine von jeher falsche oder fehlerhafte Handhabung zu korrigieren. Gerade deshalb fällt an diesem Wochenende immer wieder ein Satz: „Achte auf deinen Griff!“ Es seien die Grundlagen, auf die es ankommt. „Die Grundlagen sind immer dieselben. Nur der Kontext ändert sich“, so der Ausbilder. Vom handwerklichen Standpunkt aus sei der Schuss auf eine Pappscheibe und der auf ein angefahrenes und im Graben liegendes Stück Wild derselbe.

„Griff“, „Visierbild“, „Abzugskontrolle“, „Nachzielen“ – Begriffe, die den Teilnehmer bereits online im Vorbereitungskurs nahegebracht wurden, werden ihnen an diesem Wochenende förmlich eingebrannt. Zudem lernen sie, Störungen an der Waffe zu beseitigen sowie einhändig und unter zur Hilfenahme künstlicher Lichtquellen zu schießen.

Mit einem Druck auf den Schalter neigt sich in der Raumschießanlage der Tag künstlich dem Ende entgegen. Wenn das Tageslicht weicht, kommt die Zeit der Wildunfälle. Der Lichtkegel von Thomas Taschenlampe sucht den liegenden Rehbock, streicht über sein Haupt. Der Schuss bricht. Der Rückstoß der Waffe ist einhändig schwerer aufzufangen, doch ruhig findet Thomas erneut seinen Haltepunkt und bringt ein weiteres Geschoss sicher ins Ziel. Trotz erschwerter Übungsbedingungen ist Thomas zufrieden. „Ich fühle mich mit geladener Kurzwaffe im Holster nun deutlich sicherer“, resümiert er.
