Bleifreie Kaliberwahl: Welche Patrone passt zu mir?

Die Jagd in Deutschland wird früher oder später bleifrei. Doch welche Patrone funktioniert mit den modernen Geschossen am besten?
Der bleifreie Munitionsmarkt wächst. Die richtige Wahl zu treffen, scheint gar nicht so einfach.
Der bleifreie Munitionsmarkt wächst. Die richtige Wahl zu treffen, scheint gar nicht so einfach.

Bleifreie Jagdmunition ist eine Thematik, mit der sich deutsche Jäger immer stärker auseinandersetzen müssen. Für die gängigen jagdlichen Patronen gibt es diverse bleifreie Laborierungen, die auch funktionieren. Doch wer sich eine neue Jagdbüchse anschaffen möchte oder als Jungjäger vor der Wahl der ersten Waffe steht, kann auf einige Punkte achten, um das volle Potenzial aus seinem Arbeitsgerät mit bleifreiem Treibstoff herauszuholen.

Anders als oft propagiert ist das Einschießen bleifreier Munition kein Hexenwerk.Mit dem „kleinen Maulwurf“ als Glücksbringer kann nichts schiefgehen.
Anders als oft propagiert ist das Einschießen bleifreier Munition kein Hexenwerk.Mit dem „kleinen Maulwurf“ als Glücksbringer kann nichts schiefgehen.

Bezüglich bleifreier Geschosse hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Munitions- und Waffenhersteller haben auf die Nachfrage nach bleifreier Munition reagiert und entwickeln konstant neue Geschosse, Laborierungen und Büchsen. Dass man traditionelle Geschosse durch solche ohne das Schwermetall nicht einfach ersetzen würde können, ohne Probleme zu bekommen, wurde schnell klar. Gerade ältere Waffen reagieren doch immer wieder zickig auf das bleifreie Futter. Das Gerücht, dass bleifreie Munition weniger präzise als traditionelle Munition ist, stimmt jedoch nicht. Die fehlende Präzision vor allem aus älteren Waffen hat andere Gründe, wie wir sehen werden.

Bei bleifrei ist Geschwindigkeit der Schlüssel zum Erfolg

Die meisten bleifreien Geschosse werden aus Kupfer oder einer Kupferlegierung wie Tombak hergestellt. Letzteres wird auch als Mantelmaterial für traditionelle Geschosse verwendet. Diese Materialien sind härter als Blei. Damit das bleifreie Geschoss sich genauso aufpilzt wie ein ummanteltes Bleigeschoss, bedarf es einer höheren Geschwindigkeit. Moderne Konstruktionen versuchen dies mit etwaigen Bohrungen und Sollbruchstellen zu kompensieren. Auch Expansions-Starter in Form kleiner Plastikspitzen, wie wir sie von Bleigeschossen kennen, finden immer häufiger Anwendung.

Alles eine Frage der Zielenergie

Dadurch, dass Kupfer im Verhältnis zu Blei leichter ist, bringt ein bleifreies Geschoss weniger Energie ins Ziel als ein bleihaltiges Geschoss mit denselben Abmaßen bei gleicher Geschwindigkeit. Das Geschoss einfach länger – denn breiter geht ja nicht – und damit schwerer zu machen, ist nur bedingt möglich. Wird das Geschoss länger, steigt aufgrund der größeren Oberfläche die Reibung zwischen Geschoss und Lauf. 

Das bedeutet unter anderem einen höheren Gasdruck sowie ein größerer Geschossabrieb. Vor allem der Gasdruck hat starke Auswirkungen auf die Sicherheit von Munition und Waffe, weshalb die Hersteller hier große Vorsicht walten lassen. Auch hat die Länge große Auswirkungen auf die Stabilisation des Geschosses durch den Drall des Laufs. Wir wollen in unseren Jagdbüchsen das höchste Maß an Präzision. Wird ein Geschoss nicht mehr stabilisiert und fliegt dadurch unpräzise, ist es für uns uninteressant.

Auch auf starkes Wild wirken moderne bleifreie Geschosse zuverlässig.
Auch auf starkes Wild wirken moderne bleifreie Geschosse zuverlässig.

Patronen im Kaliber .30 (.308 Winchester, .30-06 Springfield usw.) bieten hier einen passablen Mittelweg. Die 52 bleihaltigen Jagdlaborierungen in .308 Winchester im Sortiment eines großen Jagdausstatters bewegen sich bei den Geschossgewichten zwischen 150 und 180 gr. Die Mehrheit der Geschossgewichte verteilt sich auf 150, 165 und 180 gr. (Drei exotische Geschossgewichte für diese Patrone von 125, 184 und 220 gr einmal ausgenommen.) 

Die 29 bleifreien Alternativen der Patrone liegen zwischen 130 und 165 gr. Hier liegt die Mehrheit der Geschossgewichte bei 150 und 165 gr. (Eine außergewöhnliche Laborierung mit 180 gr nicht berücksichtigt.) Die angegebenen Mündungsgeschwindigkeiten liegen bei bleifrei und bleihaltig im selben Bereich. Dadurch muss man kaum ballistische Abstriche bei den bleifreien Alternativen auf die gängigen jagdlichen Entfernungen hinnehmen. Für Bergjäger lohnt sich aufgrund des höheren Energietransfers ein Blick in Richtung der 7mm Magnum-Patronen.

Moderne Patronenlager

Mit der sich entwickelnden Waffen- und Munitionstechnik hat sich auch immer ein Wandel der Läufe vollzogen. Der Übergangskonus – dort, wo das Geschoss in die Züge und Felder des Laufs eintritt – sowie das Zug-Feld-Profil wurden von den Herstellern immer wieder auf die gängigsten und modernsten Geschosse angepasst. So wirbt beispielsweise der Hersteller Haenel bei seinem neuen Modell „Jaeger NXT“ in .308 Winchester mit einem „Green Barrel“ – einem Lauf, der besonders für moderne, bleifreie Büchsengeschosse optimiert wurde.
Anders sieht es bei älteren Büchsen aus. Ihre Läufe sind in der Regel für ebenso alte Mantelgeschosse konstruiert. Das kann zu Problemen bei der Präzision führen – muss es aber nicht. Alte Büchsen können gegebenenfalls genauso gut mit bleifreien Geschossen umgehen wie moderne Büchsen. Jedoch sollte man sich bei Neuanschaffung darüber im Klaren sein, dass es vielleicht etwas schwieriger sein wird, eine passende Laborierung für die Büchse der Begierde zu finden, wenn man sich auf dem Gebrauchtwaffenmarkt umsehen sollte.

Verfügbarkeit von Munition

Wenn es um die Verfügbarkeit von bleifreier Jagdmunition geht, zeigt sich: Was in der Vergangenheit beliebt war, bleibt bestehen. Das Sortiment des angesprochenen Jagdausstatters weist eine breite Anzahl an Laborierungen (in Klammern) für die Patronen .30-06 Springfield (29) und die .308 Winchester (28) aus. Ihnen folgen die 8x57 IS (13), .300 Winchester Magnum (12) und die 9,3x62 (11). 

Zwischen die genannten und die ältere, aber immer noch fähige 7 mm Remington Magnum (5) hat sich mittlerweile die deutlich jüngere und sehr beliebte 6,5 Creedmoor (6) geschoben. Für die meisten anderen Patronen im Sortiment gibt es lediglich eine oder zwei bleifreie Alternativen, für andere gar keine. Wer sich eine Büchse zulegt, sollte sich an diesen Zahlen orientieren. Schließlich bringt die beste Büchse nichts, wenn man sie nicht füttern kann.

Bei selteneren Patronen wie der .338 Federal kann es leicht zu Bezugsproblemen kommen.
Bei selteneren Patronen wie der .338 Federal kann es leicht zu Bezugsproblemen kommen.

Auch der Preis spielt eine große Rolle. Die allgemeinen Munitionspreise sind in der jüngeren Vergangenheit aufgrund militärischer Konflikte und weltweiter Krisen stark gestiegen. Der Preis exotischer Patronen ist dabei im Verhältnis mehr in die Höhe geklettert als der von kommerziellen Patronen. Das wird sich in der Zukunft wahrscheinlich nicht ändern, sondern zuspitzen. 

Es bringt also herzlich wenig, wenn für eine Büchse ein paar wenige Laborierungen zur Hand liegen, diese aber bis zu 150 Euro pro 20 Schuss kosten – was derzeit z.B. reelle Preise für eine Packung 6,5x68 sind. Alles Genannte gilt auch für Trainingsmunition. Wenn diese entweder nicht verfügbar oder nicht bezahlbar ist, ist es schwer, der eigenen waidmännischen Verantwortung nachzukommen, auf den Schießstand zum Trainieren zu gehen.

Fazit

Ein Blick auf den Markt zeigt, wo die Reise zurzeit hingeht. Die .308 Win. war und ist eine absolut fähige Patrone für das meiste heimische Wild und einen Großteil der jagdlichen Anwendungen. Auch ihre Effektivität in Verbindung mit der Schalldämpfernutzung ist bemerkenswert. Die Munitionsverfügbarkeit sowie der Wille der Hersteller, diese Patrone aufgrund ihrer Effektivität weiter zu fördern, sind nicht zu übersehen. 

Der Allrounder ist aber nicht für jeden Anwendungsbereich zu empfehlen. Bergjäger, deren Schüsse oftmals jenseits der Einschießdistanz ihr Ziel suchen, sollten auf etwas mehr Rasanz setzen. Schließlich gilt es hier, auch noch auf 200 oder 300 Meter genug Geschwindigkeit ins Ziel zu bringen, damit das Geschoss ausreichend ansprechen und genügend Energie abgeben kann. Im Bereich der kleineren Kaliber für die Reh- und Raubwildjagd bleibt neben der 6,5 Creedmoor derzeit noch Luft nach oben – eine Chance für die Hersteller, hier nachzulegen.

Weitere Funktionen
Kommentieren Sie